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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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brauchen.«
    Er hielt eine Einkaufstüte in der Hand. Er streckte sie ihr entgegen, versuchte aber nicht, damit hereinzukommen.
    »Was?«, sagte sie mit unsicherer Stimme.
    »Schauen Sie nach. Es ist keine Bombe. Da, nehmen Sie.«
    Sie tastete in der Tüte herum, ohne hinzuschauen. Etwas Weiches. Und dann erkannte sie die Knöpfe der Jacke, die Seide der Bluse, den Gürtel der Hose.
    »Dachte nur, die sollten Sie zurückkriegen«, sagte er. »Das sind doch Ihre?«
    Sie biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Vor lauter Angst breitete sich Trockenheit in ihrem Mund und ihrer Kehle aus.
    »Wie ich gehört habe, sind das Ihre«, sagte er leise.
    Ihre Zunge bewegte sich wie ein Wollknäuel. Sie zwang sich zu sagen: »Wo ist Carla?«
    »Sie meinen meine Frau Carla?«
    Jetzt konnte sie sein Gesicht deutlicher sehen. Sie konnte sehen, dass er die Situation genoss.
    »Meine Frau Carla ist zu Hause und schläft. Liegt im Bett. Da, wo sie hingehört.«
    Er war ein gut aussehender Mann, dem es gelang, zugleich lächerlich auszusehen. Groß, schlank, gut gebaut, aber mit einer krummen Haltung, die unnatürlich wirkte. Ein gekünsteltes, verklemmtes Bemühen, bedrohlich zu wirken. Eine dunkle Haarlocke, die ihm in die Stirn fiel, ein eitler kleiner Schnurrbart, Augen, die voll Hoffnung und zugleich höhnisch blickten, ein jungenhaftes Lächeln, das ständig kurz davor stand, ins Schmollen umzukippen.
    Sie hatte ihn nie ausstehen können – sie hatte ihre Abneigung Leon gegenüber geäußert, der sagte, dass der Mann einfach unsicher sei, einfach ein bisschen zu freundlich.
    Der Umstand, dass er unsicher war, trug jetzt nicht zu ihrer Sicherheit bei.
    »Ziemlich erschöpft«, sagte er. »Nach ihrem kleinen Abenteuer. Sie hätten mal Ihr Gesicht sehen sollen – wie Sie dreingeschaut haben, als Sie die Sachen erkannt haben. Was haben Sie denn gedacht? Haben Sie gedacht, ich habe sie umgebracht?«
    »Ich war überrascht«, sagte Sylvia.
    »Das glaub ich Ihnen. Nachdem Sie ihr so eine große Hilfe dabei waren auszureißen.«
    »Ich habe ihr geholfen …«, sagte Sylvia mit einiger Anstrengung, »ich habe ihr geholfen, weil sie in Not zu sein schien.«
    »In Not«, sagte er, als wäge er das Wort ab. »Kann schon sein. Jedenfalls war sie in großer Not, als sie aus dem Bus gestiegen ist und mich angerufen hat, ich soll sie holen kommen. Sie hat so heftig geweint, dass ich kaum verstehen konnte, was sie gesagt hat.«
    »Sie wollte zurückkommen?«
    »Und ob sie zurückkommen wollte. Sie war richtig hysterisch, ja wieder zurückzukommen. Sie ist ein Mädchen mit starken Gefühlsschwankungen. Aber wahrscheinlich kennen Sie sie nicht so gut wie ich.«
    »Sie schien ganz froh zu sein wegzukommen.«
    »Ist wahr? Na, wenn Sie das sagen. Ich bin nicht hergekommen, um mich mit Ihnen zu streiten.«
    Sylvia sagte nichts.
    »Ich bin hergekommen, um Ihnen zu sagen, ich hab was dagegen, dass Sie sich in mein Leben mit meiner Frau einmischen.«
    »Sie ist ein Mensch«, sagte Sylvia, obwohl sie wusste, sie täte besser daran, den Mund zu halten. »Nicht nur Ihre Frau.«
    »Meine Güte, ist das so? Meine Frau ist ein Mensch? Tatsächlich? Vielen Dank für die Information. Aber versuchen Sie ja nicht, mir frech zu kommen.
Sylvia

    »Ich wollte Ihnen nicht frech kommen.«
    »Gut. Da bin ich aber froh. Ich will mich nicht aufregen. Ich will Ihnen nur ein oder zwei wichtige Sachen sagen. Erstens, ich will nicht, dass Sie je wieder Ihre Nase in das Leben von mir und meiner Frau stecken. Zweitens, ich werde nicht mehr zulassen, dass sie weiter herkommt. Nicht, dass sie besondere Lust hat, noch herzukommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie hat im Augenblick keine allzu hohe Meinung von Ihnen. Und es wird Zeit, dass Sie lernen, Ihr Haus selber sauber zu halten.
    So«, sagte er. »So. Ist das bei Ihnen angekommen?«
    »Durchaus.«
    »Das will ich auch hoffen.«
    Sylvia sagte: »Ja.«
    »Und wissen Sie, was ich noch denke?«
    »Was?«
    »Ich denke, Sie schulden mir was.«
    »Was denn?«
    »Ich denke, Sie schulden mir – vielleicht – eine Entschuldigung.«
    Sylvia sagte: »Schön. Wenn Sie meinen. Es tut mir leid.«
    Er regte sich, vielleicht nur, um die Hand auszustrecken, und während er sich bewegte, schrie sie auf. Er lachte. Er legte die Hand auf den Türrahmen, damit sie die Tür nicht zumachen konnte.
    »Was ist das?«
    »Was ist was?«, fragte er, als probierte sie einen Trick aus, der bei ihm nicht funktionierte. Aber dann fiel

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