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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Gedicht eigneten, Leon nicht gereizt.
    *
    Carla hatte Clark nicht weggehen hören, aber sie wurde wach, als er zurückkam. Er sagte ihr, er habe nur mal im Stall und drum herum nachgeschaut.
    »Ein Auto ist vor einer Weile die Straße langgefahren, und ich hab mich gefragt, was die wohl hier wollen. Ich konnte keine Ruhe finden, bis ich nicht draußen war und nachgesehen habe, ob alles in Ordnung ist.«
    »Und ist alles in Ordnung?«
    »Soweit ich sehen konnte.«
    »Und da ich nun schon auf war«, sagte er, »dachte ich, ich kann auch oben an der Straße mal vorbeischauen. Ich hab die Sachen zurückgebracht.«
    Carla setzte sich im Bett auf.
    »Du hast sie doch nicht etwa aufgeweckt?«
    »Sie ist aufgewacht. Es war in Ordnung. Wir haben uns ein bisschen unterhalten.«
    »O je.«
    »Es war in Ordnung.«
    »Du hast doch nichts von der Geschichte gesagt, oder?«
    »Ich hab nichts davon gesagt.«
    »Es war ja wirklich alles erfunden. Wirklich. Das musst du mir glauben. Es war alles gelogen.«
    »Ist gut.«
    »Du musst mir glauben.«
    »Dann glaube ich dir.«
    »Ich habe alles erfunden.«
    »Ist gut.«
    Er kam ins Bett.
    »Du hast kalte Füße«, sagte sie. »Als wären sie nass geworden.«
    »Es liegt viel Tau.
    Komm her«, sagte er. »Als ich deinen Zettel gelesen habe, da war das, als wäre ich plötzlich innen ganz hohl. Echt wahr. Wenn du mich je verlassen würdest, dann würde ich mich fühlen, als wäre ich völlig leer.«
    *
    Das sonnige Wetter hatte angedauert. Auf den Straßen, in den Läden, im Postamt begrüßten sich die Leute mit den Worten, nun sei endlich der Sommer gekommen. Das Gras auf den Weiden und sogar das arme umgeschlagene Getreide auf den Feldern richtete sich wieder auf. Die Pfützen trockneten aus, der Schlamm verwandelte sich in Staub. Ein sanfter warmer Wind wehte, und jeder hatte Lust, von vorn anzufangen. Das Telefon klingelte. Anfragen nach geführten Ausritten, nach Reitstunden. Die Ferienlager hatten jetzt Interesse und sagten ihre Museumsbesuche ab. Kleinbusse fuhren vor mit ihren Ladungen quirliger Kinder. Die Pferde tänzelten an den Zäunen entlang, von ihren Decken befreit.
    Clark hatte es geschafft, ein genügend großes Stück Dachhaut zu einem guten Preis zu erwischen. Er hatte den ganzen ersten Tag nach dem Ausreißertag (so sprachen sie inzwischen von Carlas Busfahrt) damit verbracht, das Dach der Reitbahn zu reparieren.
    Mehrere Tage lang winkten Clark und Carla sich jedes Mal zu, wenn sie sich bei ihren verschiedenen Arbeiten begegneten. Wenn Carla dicht an ihm vorbeikam und niemand dabei war, konnte es sein, dass sie ihm durch den dünnen Stoff seines Sommerhemds einen Kuss auf die Schulter gab.
    »Wenn du je nochmal versuchst, vor mir auszureißen, dann gerbe ich dir das Fell«, sagte er zu ihr, und sie fragte: »Würdest du echt?«
    »Was?«
    »Mir das Fell gerben?«
    »Und wie!« Er war jetzt obenauf, unwiderstehlich wie in der Zeit, als sie ihn kennengelernt hatte.
    Überall waren Vögel. Rotdrosseln, Rotkehlchen, ein Taubenpärchen, das bei Tagesanbruch gurrte. Viele Krähen, Möwen auf Erkundungsflügen vom See, und große Truthahngeier, die auf den Zweigen einer toten Eiche saßen, ungefähr eine halbe Meile weit fort, am Waldrand. Anfangs saßen sie nur da, trockneten ihre mächtigen Flügel, unternahmen hin und wieder einen Flugversuch, flatterten ein bisschen umher, dann ließen sie sich wieder nieder, damit die Sonne und die warme Luft ihr Werk taten. Nach ein oder zwei Tagen waren sie wiederhergestellt, schwangen sich hoch in die Luft, kreisten und stießen nieder, verschwanden über dem Wald und kamen zurück, um sich auf dem gewohnten kahlen Baum auszuruhen.
    Lizzies Besitzerin – Joy Tucker – erschien wieder auf dem Plan, braungebrannt und gutgelaunt. Sie hatte von dem Regen die Nase voll gehabt und war in ihrem Urlaub zum Wandern in die Rocky Mountains gefahren. Jetzt war sie zurück.
    »Vom Wetter her gut abgepasst«, sagte Clark. Bald scherzten die beiden miteinander, als wäre nichts geschehen.
    »Lizzie ist offenbar in guter Verfassung«, sagte sie. »Aber wo ist ihre kleine Freundin? Wie heißt sie noch – Flora?«
    »Weg«, sagte Clark. »Vielleicht ist sie auf und davon in die Rocky Mountains.«
    »Da draußen gibt's viele wilde Ziegen. Mit phantastischen Hörnern.«
    »Ich weiß.«
    *
    Drei oder vier Tage lang hatten Carla und Clark einfach zu viel um die Ohren gehabt, um hinunterzugehen und den Postkasten zu leeren. Als Carla ihn aufmachte, fand

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