Trickser: Sammelband: Der Iril-Konflikt - Zwischen allen Fronten (German Edition)
muss?
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Auf dem Planeten Baiksch bestanden alle Gebäude aus Holz, so auch das Gericht. Nahezu zwanzig verschiedene Holzarten waren für seinen Bau verwendet worden; die Maserungen bildeten ein gefälliges Kunstwerk. Jeder Milimeter war überzogen mit Glanzharz, welches das Holz konservierte und es härtete. Hohe Bogenfenster ließen Sonnenlicht in die Büros und Arbeitszimmer der fleißigen Menschen und Nichtmenschen, die das Gerichtswesen für den gesamten Tauhaus-Distrikt organisierten.
Tauhaus war einer von einhundertachtundachtzig Distrikten, in die das Merdianische Reich unterteilt war. Jeder Distrikt wurde in Friedenszeiten von einem merdianischen Richter geleitet. Waren die Kolonien des Reiches in kulturellen und religiösen Belangen weitgehend autonom, war es an dem Richter, das merdianische Gesetz durchzusetzen. Es war das einzig gültige. Dem Richter fielen in seinem Distrikt mehrere Kolonien zu, auf denen mehrere Abgesandte des Richters – die Rechtsprecher – dem Gesetz Geltung verschafften. Die Rechtsprecher schlichteten alle Streitigkeiten in der ersten Instanz – der Distriktrichter war die letzte.
Neben den rechtsprechenden Aufgaben, besaß der Richter auch weitgehende politische. Er war der höchste Zivilbeamte eines Distrikts, die Premierminister der Kolonien waren ihm Rechenschaft schuldig. Sein Wort entschied über das Wohl aller Kolonien seines Amtbereiches, waren sie nun freiwillig in das Merdianische Reich eingetreten oder okkupiert und befriedet worden.
Richterin Indra Fey war eine hagere Merdianerin von mittlerem Alter. Rotes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern, umrahmte ein helles sommersprossiges Gesicht. Gekleidet war sie in die schlichte organgefarbene Robe und das gleichfarbene Käppi ihres Standes.
Sie stand am Fenster ihres Büros und blickte hinaus auf die Hauptstadt Anarivo, die sich in einer Spirale um den Mittelpunkt wand: eine Säule von mehreren Kilometern Durchmesser ragte in die Wolken und darüber hinaus. Auch wenn Indra es nicht mit bloßem Auge sehen konnte, wusste sie, wo die Säule endete: Jenseits der Atmosphäre schloss sie mit einer gewaltigen Raumstation, die sich am Äquator um den ganzen Planeten wand. An die Säule schmiegten sich große Gebäude, zwanzig oder mehr Stockwerke hoch – winzig gegen das Ungetüm von Säule.
Die Straßen waren leer, und auf dem Glanzharz der Holzhäuser glitzerte die Morgensonne. Die Stadt wirkte so früh am Morgen friedlich. Zwei Millionen wohnten im Zentrum Anarivos, in den dicht gedrängten Häusern, die mehrere Geschosse besaßen. Ebenso viele lebten in den weit auslaufenden Randbezirken mit ihren Bungalows und Villen.
Vielleicht ist es mit dem Frieden bald vorbei, dachte Indra Fey. Die Richterin blickte dorthin, wo die Säule hinter Sommerwolken verschwand. Und ich trage die Verantwortung dafür.
Seit sie vor wenigen Tagen das Iril-Fundstück auf Rok entdeckt hatte, war ihr klar gewesen, welchen Weg sie einschlagen würde. Die Iril waren eine Unsicherheit im Reich, und Unsicherheiten konnten zu Gefahren werden. Seit langem versuchten merdianische Forscher sowie der Geheimdienst mehr über das Nomadenvolk der Iril herauszufinden – ohne Erfolg. Die Iril blieben ein Geheimnis. Ohne Heimatplanet reisten sie durch das All und wurden immer wieder in den Grenzen des Reichs gesichtet. Sie entzogen sich jeder Kontrolle; niemand hatte genug über sie erfahren können, um sich ein Bild von ihnen machen zu können.
Unzufriedene, die es in jedem Staat gab, stilisierten die Iril zu Rettern hoch, die die merdianische Herrschaft zerstören würden. Diese Fabeln entbehrten jeglicher Grundlage, noch nie hatten Iril die Merdianer oder eine Kolonie angegriffen. Wenn Merdianer und Iril aneinander gerieten, dann in diplomatischen Dispute, geführt über Vermittler. Immer hatte der Streit in einer Einigung auf beiden Seiten geendet. Und so wird es auch dieses Mal sein, beruhigte sich Indra.
Sie hatte ihren besten Sonderermittler, Jans Bruner, und ein Einsatzkommando nach Rok geschickt, um weitere Iril-Stücke sicherzustellen und ihren Herkunftsort auszumachen. Jans hatte sie – wie in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit – nicht enttäuscht. Gestern hatte er gemeldet, die Fundstücke in seinem Besitz zu haben und auf dem Weg nach Baikasch zu sein. Auch hatte er herausgefunden, das ein Wrack eines Iril-Raumschiffes im Speilsystem zu finden war. Vor einer halben Stunde hatte Indra Zerta Kaarn, die Kommandantin der
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