Tricontium (German Edition)
Aufmachung so würdig und beherrscht aus wie seinerzeit in ihrem Gerichtssaal.
Ardeijas Blick war kurz, halb fragend, halb verwirrt, zu Wulfila hinübergegangen, doch erkundigte er sich nicht, was die Anwesenheit seines Freundes auf Oshelms Platz zu bedeuten hatte. »Entschuldigt, dass wir uns verspätet haben. Das hier ist Rambert vom Brandhorst. Rambert, Frau Herrad, Richterin der Tricontinischen Mark … Wenn keine Barsakhanen dort sind.«
»Vom Brandhorst.« Herrad betrachtete den unerwarteten dritten Gast recht eingehend.
»Nicht mehr«, verbesserte Rambert, als komme dieser Unterscheidung große Bedeutung zu.
»Er ist geflohen«, erläuterte Ardeija und setzte Gjuki, der eben erst die Schnauze unter dem Mantel hervorsteckte, sanft auf seine Schulter. »Fürst Asgrim hat erfahren, dass Rambert uns vor den Mordplänen gewarnt hat, und war nicht erfreut.«
Erfreut war auch Herrad nicht. »Haben deine Eltern dich deshalb hergeschickt?«, fragte sie an Rambert gewandt.
Der Junge schwieg.
»Die gibt es nicht«, sagte Ardeija an seiner Stelle. »Ein Händler hat ihm geholfen, herzukommen, da er sah, wie ernst die Lage war. Es hätte gefährlich werden können.«
Die Richterin nickte gemessen. »Setzt Euch mit Rambert in die Küche«, bat sie nach einem kurzen Zögern, als habe sie erst etwas anderes sagen wollen. »Dies hier kann dauern und ist doch nur langweilig. In dem blauen Krug auf dem Brett über der Tür müssen noch Nüsse sein. Über alles andere können wir später sprechen. Wenn ich doch eine Frage an einen von Euch haben sollte, werde ich Euch wieder hereinrufen.«
Es hätte nur eine freundliche Geste sein können, um dem Kind in der Tat die Langeweile oder auch nur das Zuhören zu ersparen, doch Wulfila glaubte kaum, dass Herrads Beweggründe derart harmlos waren. Sie hatte auch und vor allem das Verhältnis der anwesenden Zeugen sehr zu ihren Gunsten beeinflusst und Theodulf jegliche denkbare Unterstützung von vornherein entzogen.
So, wie Asgrims ehemaliger Schwertmeister dreinsah, wusste er das auch sehr genau, aber er machte keine Einwände, als Ardeija und Rambert sich entfernten.
Kaum, dass die Tür geschlossen war, deutete Herrad auf einen Schemel, der einige Schritte von ihrem Sessel entfernt stand. »Setzt Euch. Wir werden wohl eine Weile brauchen, bis alles geklärt ist.«
Theodulf tat wie geheißen, und Wulfila machte sich bereit, mit seinen Notizen zu beginnen.
Doch Herrad war nicht in Eile. »Wie geht es Euren Händen?«, fragte sie nicht unfreundlich. »Ardeija sagte mir, Eure Ärztin habe viel Arbeit mit Euch gehabt.«
»Unnütze Arbeit.« Anscheinend legte Theodulf nicht viel Wert auf mitfühlendes Vorgeplänkel. »Sie meinte, die Knochen wären ohnehin nicht mehr zu richten. Aber Ihr habt mich nicht rufen lassen, um das zu hören.«
»Nein.« Die Richterin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Es war dennoch eine ernst gemeinte Frage, denn was Euch zugestoßen ist, hat mich durchaus betroffen gemacht. Asgrims Vorgehen hat mich befremdet und entsetzt, nicht allein, was diesen Vorfall betrifft.«
»Zu dem Zeitpunkt war er mit gutem Recht selbst ›befremdet und entsetzt‹. Jetzt ist er verzweifelt.« Theodulf sah kurz zu Wulfila hinüber. »Verzweifelt genug, einen kürbisstehlenden Aushilfsschreiber vorübergehend in Dienst zu nehmen, aber das wisst Ihr selbst.«
»Das allein halte ich noch nicht für ein Anzeichen großer Verzweiflung«, wandte Herrad dankenswerterweise ein.
»Nein?« Theodulf lächelte verächtlich. »Wenn ich jemanden, der geschickt genug ist, sich schon bei einem einfachen Gartendiebstahl erwischen zu lassen, als Spion anwerbe, dann muss ich verzweifelt sein.«
Was zu weit ging, ging zu weit, und Wulfila hätte ihm einiges darüber erzählen können, wie schwierig ein »einfacher Gartendiebstahl« geraten konnte, wenn ein Gespenst sich einmischte, doch Herrads mahnend erhobene Hand erinnerte ihn daran, dass er es ihr überlassen musste, dieses Gespräch zu führen.
»Welchen Grund hat Fürst Asgrim Eurer Ansicht nach, nun verzweifelt zu sein, wenn er es zur Zeit Eurer Flucht noch nicht war?«
»Da war der Vogt noch nicht tot.« Theodulf klang aufrichtig. »Außerdem weiß er, dass ich in Aquae bin und den falschen Leuten etwas erzählen könnte, aber das wird die geringere Rolle spielen.«
»Vogt Getas Tod nützt Asgrim also wenig?«
»Wenn Ihr wissen wollt, ob ich denke, dass er ihn hat umbringen lassen, dann fragt danach, Frau Herrad.«
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