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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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spielte mit dem Federmesser. »Ich kann es ihm ja nicht verdenken, dass er nach all dem Pech in Tricontium sein Glück hier versuchen wollte.«
    Herrads Gesicht war nachdenklich geworden. »Ob er die tricontinischen Grabbeigaben nicht zumindest für eine Weile hatte, wissen wir nicht. Wenn ich mich recht entsinne, hat Asgrim die Gräber erwähnt und Honorius beschuldigt, sie geplündert zu haben.«
    »Nachdem die frischen Grabbeigaben, die wir gesehen haben, niedergelegt worden waren – oder schon lange davor?«
    »Das ist eine gute Frage. Es fehlt nur an Leuten, denen wir sie ohne Gefahr stellen können.«
    Wulfila legte das Messer beiseite. »Was ist mit dem Zauberer? Gut, man kann ihm nicht völlig über den Weg trauen, aber er scheint zu wissen, was es über die Sache zu wissen gibt, oder tut zumindest so.«
    »Er wird schon einiges wissen.« Herrad war aufgestanden und zu dem Schränkchen an der Ostwand hinübergegangen, das ihre beachtliche Büchersammlung beherbergte, die erst halb wieder eingeordnet war, im Augenblick aber auch zur Verwahrung der heimlich vom Römerfriedhof mitgebrachten Steine diente. »Versteht Ihr etwas von Zauberei? Genug, um mir sagen zu können, ob ein Magus Gold und Silber in das hier verwandeln könnte?«
    Wulfila betrachtete den rötlichen Steinbrocken in ihrer Hand. »Ich glaube nicht, dass Zauberer viel von Gold verstehen. Man hört doch immer, dass sie versuchen, Gold aus anderen Dingen herzustellen, nicht wahr? Wenn sie wüssten, wie man Gold in andere Dinge verwandelt, hätten sie doch schon den halben Weg.«
    »Nicht unbedingt. Wenn man weiß, wie man aus Milch Butter machen kann, heißt das noch nicht, dass man sich auch darauf versteht, aus Butter Milch zu gewinnen.«
    »Es klingt auf jeden Fall schwierig. Meint Ihr nicht, dass es einfacher für ihn gewesen wäre, das Geld an einen anderen Ort zu zaubern, und dafür Steine in die Truhe?«
    »Dazu hätte es keiner großen Zauberei bedurft.«
    »Aber sehr guter Vorbereitung oder wilder Entschlossenheit. Nachdem mein Vater fort war, kann allenfalls eine halbe Stunde vergangen sein, bevor Honorius mit seinen Leuten eintraf.«
    Sie sahen einander schweigend an, und Wulfila glaubte fast, in Herrads Gesicht seinen eigenen stummen Wunsch wiederzufinden, nie so tief in diese undurchschaubare Angelegenheit verwickelt worden zu sein; dann aber klopfte Freda, um ihrer Herrin mitzuteilen, dass Ardeija mit Asgrims ehemaligem Schwertmeister eingetroffen sei.
    »Das wurde auch Zeit«, bemerkte Herrad laut genug, um im vorderen Zimmer gehört zu werden. »Führ sie herein.«
    Doch Freda blieb auf der Schwelle stehen. »Soll der Junge auch mit hereinkommen?«
    »Wulfin?« Die Richterin zog die Stirn kraus. »Ich dachte, er wäre mit seinem Großvater zum Markt gegangen?«
    Die Magd schüttelte den Kopf. »Nicht Wulfin. Herr Ardeija hat einen mitgebracht.«
    »Wenn er ihn mitbringt, wird das schon seinen Grund haben«, sagte Herrad mit einem auffordernden Nicken, um kaum, dass Freda wieder hinaus war, leiser hinzuzusetzen: »So ernst hatte ich seine Ankündigung, nach ›seinen Kindern‹ zu suchen, gestern eigentlich nicht genommen.«
    »Ich auch nicht«, bekannte Wulfila und fragte sich, ob Ardeija am Vorabend tatsächlich betrübt und betrunken genug gewesen war, um die Runde bei sämtlichen ehemaligen Geliebten, die ihm eingefallen waren, zu machen und sich irgendein Kind anhängen zu lassen.
    Falls diese Vermutung dem Gang der Ereignisse nahekam, musste die zugehörige Mutter allerdings sehr überzeugende Gründe vorgetragen haben, um die Vaterschaft glaubhaft zu machen, denn der Junge, der mit Ardeija und Theodulf hereinkam, sah nicht so aus, als könne er auch nur im Entferntesten mit einem der beiden verwandt sein. Unter der pelzgesäumten, mit Fabelwesen aus den Sagen der Steppenbewohner bestickten Mütze, die das Kind selbst in Herrads Gegenwart nicht abnahm und die ihm überdies viel zu groß war, sahen hellblonde Haarsträhnen hervor, und in dem blassen Gesicht fand sich kein Zug, der an Ardeija, Asri oder Theodulf erinnert hätte. Überhaupt hatten die drei, die nun vor Herrad standen, bis auf den Ausdruck unbehaglicher Höflichkeit wenig miteinander gemein, und was Wulfila zum Lächeln hätte reizen können, wäre es ihm wie ein Spiegel seiner eigenen Familie erschienen, bekümmerte ihn eher.
    Was Frau Herrad dachte, war ihr nicht anzumerken; sie saß wieder in ihrem Sessel und sah trotz der mangelnden Förmlichkeit ihrer

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