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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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sie in diesem Hause die Entscheidungen träfe und Theodulf für ihre milden Gaben gefälligst dankbar sein solle.
    Gjukis hochzufriedenes Zirpen, als der Junge ihm das Band mit den Silberblättern unbeholfen, aber bemüht in die Vordertatzen legte, bevor er davoneilte, ließ Ardeija nur für einen kleinen Augenblick lächeln.
    »Du bist eine böse Frau, Asri«, bemerkte Theodulf, und was das ihm aufgezwungene Almosen betraf, war Ardeija geneigt, ihm zuzustimmen.
    »Das mag sein oder auch nicht«, beschied ihn Asri und ließ das Messer mit einer Wucht niederfahren, als läge darunter nicht ein Brotlaib, sondern der Hals ihres ungeliebten Gasts. »Aber du bist ein erbärmlicher Mann, lieber deinen Sohn vor seiner Herrin beschämen zu wollen, als ein Geschenk von mir anzunehmen.«
    »Ihr solltet euch beide schämen«, sagte Ardeija laut. »Wenn ihr euch die Köpfe einschlagen müsst, dann tut das zu gegebener Zeit, aber um ein verdammtes Haarband zu streiten, wenn wir Asgrim in der Stadt haben und der Vogt tot ist – das ist kindisch.«
    Theodulf und Asri sagten beide kein Wort, doch als Rambert mit dem kleinen Korb zurückkehrte, ging Asri selbst hin und suchte mit undurchdringlicher Miene ein silberdurchwirktes Band aus, um es mit flinken Händen zu befestigen, nachdem sie den Zopf straffer gezogen hatte.

20. Kapitel: Das Verhör
    Das auf dem Schreibpult eingespannte Blatt war jungfräulich weiß, die Feder untadelig gespitzt, das Tintenfass aufgefüllt. Nur der zugehörige Schreiber fehlte, und hätte Wulfila sich nicht schon in Tricontium über Oshelms Verhalten geärgert, wäre er spätestens jetzt sehr unzufrieden mit ihm gewesen.
    »Er hat mich gebeten, ihn für zwei, drei Tage freizustellen, einer dringenden Familienangelegenheit wegen, wie er sagt«, hatte die Richterin erläutert, während sie ihr Frühstück ohne weitere Umstände in der Küche eingenommen hatte. »Woher er plötzlich eine Familie haben will, weiß ich auch nicht, aber manche Leute besinnen sich auf die erstaunlichsten Dinge, wenn sie vor der Vergangenheit davonlaufen, besonders, wenn die sie als ganz leibhaftige Erinnerung an Mons Arbuini einholt.« Sie hatte sich aber nicht weiter mit Oshelms Zeit in den Steinbrüchen aufgehalten; es hatte ihr genügt, durch die eine, beiläufig hingeworfene Bemerkung unter Beweis zu stellen, dass sie wusste, was sie wissen musste. Dann hatte sie Wulfila geradewegs angesehen. »Es ist mir nicht lieb, ohne Schreiber zu sein, wenn ich mir Asgrims entlassenen Schwertmeister vornehme. Ihr werdet doch einspringen, nicht wahr? Ich habe gesehen, was Ihr in Tricontium geschrieben habt. Eure Handschrift ist leserlich genug für mich und Euer Latein durchaus brauchbar.«
    Es wäre höchst undankbar gewesen, ihr die Bitte abzuschlagen, nachdem sie ihn und den Rest der Familie in ihren Haushalt aufgenommen hatte, doch Wulfila fragte sich noch immer, weshalb sie glaubte, dass seine Aufzeichnungen über ihr Gespräch mit Theodulf gut genug sein würden, um sie nach Padiacum – nach Padiacum, an den Königshof! – zu senden.
    Sie hatte seine vorsichtigen Einwände mit einer Handbewegung beiseitegewischt, ihm seinen Platz zugewiesen und sich dann in den Bericht versenkt, den Honorius’ Schreiberin am frühen Morgen hereingereicht hatte, um ihn der Relatio de condicione Marchiae Tricontinae beizugesellen, an der Herrad die halbe Nacht lang gearbeitet hatte. Dementsprechend müde und verloren sah sie in ihrem Sessel vor dem Feuer auch aus und ihr Versuch, die Spuren von Asgrims Schlag unter einer dünnen Schicht Schminke zu verbergen, konnte getrost als gescheitert betrachtet werden. Selbst ihre Haare hatten anscheinend nicht so gewollt wie sie, und wenn Wulfila auch fand, dass sie ihr schlicht zurückgebunden gut standen, war diese Einfachheit doch weit entfernt von den Mühen, die sie selbst in der tricontinischen Wildnis auf ihre Frisur verwandt hatte.
    Das bezeichnendste Eingeständnis von Erschöpfung bestand aber darin, dass sie beschlossen hatte, das Verhör nicht im schlecht geheizten vorderen Raum, sondern in der Wärme und Sicherheit des Schlafzimmers vorzunehmen. Wenn sie trotz aller Erfahrung und ihres Sinns dafür, den passenden äußeren Rahmen für jede Art von Gespräch zu wählen, ihre Bequemlichkeit an die erste Stelle setzte, konnte sie sich nicht sehr wohl fühlen, und Wulfila bedauerte, dass er ihre Antwort auf die Frage kannte, ob sie ihren Boten nicht erst morgen oder übermorgen nach Padiacum

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