Tricontium (German Edition)
Zweifel. »Ich soll also gehen und meine Botschaft ausrichten? Was ist das, eine Falle, die Frau Herrad Asgrim und den anderen stellen will?«
Ardeija war das Misstrauen und Zögern auf allen Seiten reichlich leid, auch wenn er ein gewisses Verständnis dafür aufbringen konnte. »Keine Falle. Ihr solltet unsere Richterin gut genug kennen, um zu wissen, dass sie vor allem will, dass Gerechtigkeit geübt wird. Hätte sie Wulf bei sich aufgenommen, wenn ihr nur daran gelegen wäre, sich in Padiacum in gutes Licht zu setzen? Oder Euch?«
»Wohl wahr.« Oshelm machte noch immer keine Anstalten, von seinem nasskalten Aussichtspunkt hinunterzusteigen.
Ardeija sah Gjuki zu, der am Fuß des Steins in den Gräsern herumstöberte. »Das alles wisst Ihr doch ohnehin. Wenn Ihr ernsthaft Verfolger fürchten würdet, hättet Ihr etwas Besseres zu tun, als ruhig hier zu sitzen und Euch den Sonnenuntergang anzusehen.«
Der Schreiber hob die Schultern. »Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen, aufgehalten zu werden.«
Ardeija begriff, dass er sich auf ein längeres Gespräch würde einstellen müssen. »Es wäre schlechter, ungestört nach Mons Arbuini zu gelangen?«, fragte er leise, so dass Oshelm es überhören konnte, wenn es ihm lieber war.
»Ja.« Oshelm sah nicht auf. »Sprecht es getrost aus, ich habe Angst.«
»Angst vor den Erinnerungen?«
Oshelm spielte mit einem Mantelzipfel, den Blick immer noch starr über die abgeernteten Felder gerichtet. »Auch das«, gestand er am Ende. »Aber mehr Angst vor dem, was ich vorfinden werde. Es wäre mir fast lieber, hinzukommen und zu hören, Otachar sei tot, als jemanden zu finden, der einmal Otachar war.«
Ardeija suchte nach einer Antwort und fand keine gute. »So schlimm wird es vielleicht gar nicht sein«, sagte er und glaubte es selbst nicht ganz. »Sagt Euch immer, dass Ihr schließlich auch nicht den Verstand verloren habt. Wulf auch nicht.«
»Wulf.« Oshelm lächelte halb. »Wulf zählt nicht.«
»Weshalb nicht?« Gjuki hatte unten zwischen den kleinen Feldsteinen einen federgleichen Grashalm zum Spielen gefunden. »Soweit ich weiß, hat er länger dort gesessen als Ihr, fast ein Jahr lang.«
»Schon wahr. Aber Wulf hält entsetzlich viel von sich selbst.« Oshelms gesenkte Stimme war über den Wind nur schwer zu verstehen. »So viel, dass er nicht einmal glaubt, sich beweisen zu müssen, wie großartig er ist. Wenn ihn tatsächlich einmal eine Anwandlung christlicher Demut überkommen sollte, dann nur vor Gott, nicht vor der Welt. Mons Arbuini war gewiss genug, ihm Angst einzujagen und ihn wünschen zu lassen, so etwas niemals wieder durchstehen zu müssen, aber nicht genug, gleich seine ganze Seele zu stehlen. Begreift Ihr nicht? Wenn einer ruhig hingehen und für Frau Herrad kochen kann, ohne sich selbst zu verlieren, obwohl er eigentlich an die Spitze einer Streitmacht gehört, dann kann er auch durch die Steinbrüche gehen und mehr oder minder heil wieder herauskommen. Ich hätte es nicht gekonnt, wäre ich nur einen Tag über jene zwei Monate hinaus dort geblieben, und ob Herr Otachar, vielmehr Aquila, es konnte? Ich weiß es nicht. Soll ich Euch etwas sagen? Es muss schon etwas vorgefallen sein, bevor er dorthin geraten ist. Der Otachar, den ich kannte, hätte sich nicht versteckt und sich unter falschem Namen einer schimpflichen Strafe zuführen lassen! ›Ich bin Otachar, nehmt meinen Kopf, wenn Ihr wollt‹, das hätte er gesagt, aber dies hier … Das hätte er nicht geschehen lassen.« Noch leiser fuhr er fort: »Er hätte auch all die anderen nicht im Stich gelassen, solange er noch frei war und auf irgendeinem Wege auf die Kriegskasse zugreifen konnte, weder seine Freunde noch seine Gefolgsleute … Nicht Wulf, von dem er immer viel gehalten hat, nicht seinen Schwertmeister, der starb, als ich kaum eine Woche in Mons Arbuini war und er noch nicht länger als einen Monat … Noch nicht einmal mich.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Und nun soll ich hingehen und ihm sagen, dass sie ihn befreien wollen. Was, wenn es gar nichts mehr nützt, dass sie ihn befreien?«
Ardeija fing ein Eichenblatt ein, das ihm durch die Luft entgegentanzte. »Vielleicht nützt meine Nachricht dann etwas, die nämlich, dass Gudhelm von Sala ihm verzeiht … Wenn er mir denn glaubt. Es kann sich nicht gut anfühlen, einen Freund auf dem Gewissen zu haben, auch wenn es unabsichtlich geschehen ist.«
»Bei Bocernae?«
»Das Heidekraut«, sagte Ardeija,
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