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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Unschuld gemachte Bemerkung eines kleinen Jungen zu einem Bericht über das Ende eines schäbigen Kerls wurde, dem die Macht teurer gewesen war als die Frau, die er so sehr geliebt haben sollte, ihren Zauber noch bewahren?
    »Ja«, sagte er schließlich und senkte den Kopf, »ich nehme an, dass er lieber herrschen als bei Ketugai sein wollte. Vielleicht war er nicht so weise, wie die alten Lieder und Geschichten behaupten. Möchtet ihr dennoch hören, wie diese hier ausgeht?«
    Obgleich Ardeija überzeugt war, dass er nicht verärgert geklungen hatte, schien Wulfin zu spüren, dass das, was er gesagt hatte, den Hauptmann ein wenig traurig machte; er streckte den Arm aus und berührte Ardeijas Hand kurz mit warmen, kleinen Fingern. »Ja. Bitte erzählt weiter, Herr Ardeija. Ich glaube, ich mag Tergeli Khan, auch wenn er vielleicht ein bisschen dumm war.«
    »Dafür konnte er ja nichts«, fügte Rambert gnädig hinzu. »Und bisher ist es eine ganz gute Geschichte.«
    Ardeija lächelte, ebenso erheitert wie gerührt. »Dann werde ich euch jetzt erzählen, wie es mit Tergeli Khan, der ›vielleicht ein bisschen dumm war‹, zu Ende ging. Wie ihr wisst, ritt er einmal im Monat ganz allein nach Sibirili, und seine Feinde beschlossen, ihn auf dem Rückweg von seinem Besuch in einen Hinterhalt zu locken. So verbargen sie sich also in einer Herbstnacht in einem Tal in den Wäldern, die er durchqueren musste, und versteckten viele Bogenschützen zwischen den Bäumen. Denn Tergeli war ein gefährlicher Kämpfer, und keiner hätte es gewagt, ihn offen anzugreifen. Deshalb wollten sie ihn aus der Ferne mit ihren Pfeilen töten. Tergeli nun ahnte nichts von diesen bösen Plänen. Doch als er zu Ketugais Haus gelangte, wartete sie nicht auf den Stufen vor der Tür auf ihn, wie es ihre Gewohnheit war. Vielmehr fand er sie, als er hineinging, vor einem Altar, wo sie Räucherwerk verbrannte und Gebete sprach. Das erstaunte Tergeli Khan sehr, denn Ketugai stand zwar in dem Ruf, ebenso klug wie schön zu sein, doch war sie nicht für große Frömmigkeit bekannt. Als sie sich, nachdem sie ihre Gebete beendet hatte, erhob, um ihn zu begrüßen, fragte er sie, warum sie sich so flehentlich an höhere Mächte gewandt hatte. Und Ketugai erzählte ihm, dass sie am Tag, als sie über ihrem Webstuhl eingeschlafen war, vom Tanz der Haubentaucher auf dem Wasser geträumt hatte und nun wusste, dass Unglück und gewaltsamer Tod jemandem, den sie liebte, drohten. Denn das ist die Deutung, die bei den Barsakhanen einem solchen Traum für gewöhnlich beigelegt wird. ›Mein Herz sagt mir, dass du derjenige bist, den die Haubentaucher meinen‹, sprach Ketugai zu Tergeli, und sie bat ihn, für einige Tage bei ihr zu bleiben, bis sein guter Freund, der edle Bauduras, der damals im Norden zur Jagd geritten war, zum Lager Tergelis zurückkehren würde. ›Er wird hier vorüberkommen, wenn er zu den Zelten deiner Leute will, und du sollst mit ihm reiten; so wirst du in Sicherheit sein, bis sich das Unglück wieder von dir abgewandt hat!‹ Doch Tergeli Khan lehnte ab. ›Man wird mich für einen Feigling halten, wenn ich mich für so viele Tage verstecke‹, sagte er. ›Ich werde vor dem ersten Licht des Morgens von hier aufbrechen, wie stets, was auch geschehen mag.‹ Ketugai war daraufhin nur umso besorgter, doch sie wusste, dass sie ihn nicht würde aufhalten können.«
    Rambert hatte eine zweite Nuss für Gjuki geknackt. »Warum ist sie nicht mitgeritten, um ihn zu beschützen?«
    Ardeija wäre jede weniger berechtigte Frage lieber gewesen. »Das bot sie ihm an«, behauptete er nicht ganz zutreffend. »Doch stolz, wie er war, lehnte er auch das ab. Da überredete sie ihn stattdessen, ein starkes Amulett von ihr anzunehmen, das ihn schützen sollte. Und Tergeli war bereit, es zu tragen. Als die Nacht alt geworden war, ließ er Ketugai schlafend zurück, sattelte sein Pferd und ritt nach Süden, heimwärts. Seine Feinde sahen ihn herankommen, und als er in das Tal, wo sie versteckt lagen, kam, wurde er von ihren Pfeilen empfangen. Doch die ersten zwölf Pfeile prallten an ihm ab; denn der Zauber, der von Ketugais Amulett ausging, war stark und hätte Tergelis Leben gerettet, hätte nicht der kühnste unter seinen Feinden, Tashunin der Einäugige, sich auf ihn geworfen und ihm das Amulett vom Hals gerissen. Zwar bezahlte er dies mit dem Leben, doch Tergeli Khan war verloren, da ihn nun die Pfeile seiner Feinde treffen konnten. Und ehe mich einer von

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