Tricontium (German Edition)
von Speeren und Klingen mit sich trug. Ein einzelner Krieger löste sich von den übrigen und drängte sein Pferd auf Ardeija und Wulfila zu, nur um es, als sein Schwert sie schon fast hätte streifen können, doch wieder herumzureißen. Vermutlich hatte er im letzten Augenblick das grüne Band an Wulfilas linkem Arm bemerkt, das den Männern Faroalds als Erkennungszeichen diente, und daraus gleich mit auf den Verwundeten geschlossen. Ardeija dankte stumm Gott, dass Theodulf vom Brandhorst außerstande war, einen alten Gegner zu erkennen, wenn er ihn vor sich hatte.
Es war auch weiterhin mehr Glück als Verstand, dass sie unbeschadet bis an einen geschützten Platz auf halbwegs festem Grund gelangten, und als Ardeija im Wollgras lag und zu den Regenwolken hinaufsah, schienen Schreie und Waffenlärm für eine kurze Frist so entfernt, dass er sich fragte, ob sie sogar noch weiter gekommen waren, als er sich vorstellen konnte.
Wulfila war unruhig, doch er bemühte sich in fliegender Hast, die Wunden notdürftig zu versorgen. Er redete leise mit sich selbst, vielleicht auch mit Ardeija, doch der hörte nicht zu, bis ihm schließlich die Lederflasche, die eben noch auf Wulfilas Rücken gehangen hatte, in die Hände gezwungen wurde. »Du musst genug trinken, hörst du mich, Deija? Bleib hier liegen, ich komme wieder. Ganz bestimmt. Ich komme wieder und hole dich.«
Doch er kam nicht wieder, während der Abend zur Nacht wurde und die Nacht zum Morgen. In der Flasche war kein Wasser, sondern ein widerliches Zeug, das Ardeija nicht zuordnen konnte, und er hätte nicht darauf zurückgegriffen, wenn er geglaubt hätte, noch irgendeine Wahl zu haben. Über die Stunden gewöhnte er sich fast an den Geschmack, nicht aber an die Kälte, die ihm in jeden Knochen kroch, oder an die Schmerzen, die immerhin halfen, ihn wach zu halten.
Wie die Schlacht ausging, erfuhr er vorerst nicht, und als er im Morgengrauen schemenhafte Krieger durch den Kranichwald eilen sah, die offensichtlich auf der Suche nach Unglücklichen wie ihm waren, wusste er nicht, ob er hoffen konnte, von jemandem, der ihn kannte, gefunden zu werden, oder ob irgendein Fremder – Freund oder Feind – ein rasches Ende machen würde, um an sich zu raffen, was er nur bekommen konnte. Er blieb reglos liegen und hoffte, dass man ihn übersehen und seinen Atem nicht hören würde.
Am Ende waren es vier Krieger Otachars, die zufällig auf ihn stießen, unter ihnen auch derjenige, der den Markgrafen an die Porta Tricontii begleitet hatte. Diese Bekanntschaft allein rettete Ardeija, denn den Männern, die ihren Herrn für tot hielten und alles verloren gaben, war nicht daran gelegen, Gefangene zu machen.
Die vier wollten in weiser Voraussicht des Strafgerichts, das dem Tod des aufständischen Königssohns folgen musste, nicht nach Tricontium zurück, sondern so weit wie möglich nach Süden hinunter.
»Wir laden Euch in Sala ab«, versprach einer, nachdem sie Ardeija mit viel gutem Willen auf das einzige Pferd, das sie besaßen, gehoben hatten.
Ardeija dachte an Gudmund, der Fürst in Sala sein würde, sobald die Nachricht vom Tod seines Bruders dort eintraf, und an die missa regia , die im Sommer nach Sala gekommen war, um sich im Namen des Königs der Bündnistreue Gudhelms zu versichern. Sie war sehr schön und Abenteuern nicht abgeneigt gewesen, doch hatte sie jedes Lächeln Gudmunds übersehen und sich stattdessen drei Nächte lang vom Schwertmeister seines Bruders das Bett wärmen lassen.
»Ihr werdet noch bereuen, so vermessen gewesen zu sein, Herr Ardeija«, hatte Gudmund im vollen Bewusstsein der Tatsache verkündet, dass er einer Königsbotin mit römischen Vorfahren würdiger war als ein hergelaufener Krieger. »Denkt an meine Worte.«
Ardeija ahnte, dass der Zeitpunkt, daran zu denken, spätestens jetzt gekommen war. »Nicht in Sala. Lieber in Aquae Calicis«, sagte er deshalb und war zum ersten Mal froh, dass seine Mutter nach Valerians Tod mit der Begründung fortgegangen war, in Aquae seien ihre Stickereien mehr wert als an Gudhelms Hof, wo man vieles nicht bezahle, sondern als selbstverständliche Gefälligkeit erwarte. Den Kriegern kam sein Vorschlag durchaus gelegen und so trugen sie ihn nach zwei Tagen, die in seiner Erinnerung nur aus Fieber und den ersten fürchterlichen Träumen von Bocernae bestanden, über Asris Schwelle.
In Aquae vergingen vier Monate, bis er wieder auf sicheren Beinen stand und halbwegs er selbst zu sein glaubte, und noch
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