Tricontium (German Edition)
brav Rambert, der nur zu dankbar von der Erlaubnis Gebrauch machte, nach seinem Helden zu sehen.
Herrad wartete ab, bis die Tür wieder geschlossen war. »Habt keine Angst«, sagte sie dann. »Wenn ich das Richtige vermute, hätte ich zwar allen Grund, Eurem Vater Schwierigkeiten zu machen, aber von Strafen für die kleinen Handlanger hat dieses Land genug gesehen und an die wahren Schuldigen komme ich nicht heran. Man stürzt mit der Aussage eines davongejagten Kriegers keinen Fürsten und hebt keinen Grafen aus dem Amt. Wisst Ihr, dass sie verbündet sind? Asgrim und Ebbo, meine ich?«
»Mein Vater hat mir wirklich nichts gesagt.« Ardeija hätte gern geglaubt, dass Theodulf ihm eine wichtige Einzelheit wie diese nur vorenthalten hatte, um ihn vor dem Verdacht der Mitwisserschaft zu schützen, doch das wäre der Gedanke eines halbwegs wohlmeinenden Vaters gewesen und von »liebend« hatte bekanntlich niemand gesprochen.
Die Richterin wirkte nicht überrascht; vielleicht wusste sie, wie es stand, oder ahnte doch das Meiste. »Wenn das, was er mir erzählt hat, der Wahrheit entspricht, haben sie Großes vor.« Sie ließ sich auf der Bank nieder, die Hände immer noch um die Schale geschlossen. »Es geht ihnen darum, einen Gefangenen zu befreien, und zu dem Zweck wollen sie einen Gerichtskampf anstrengen. Sie hätten Euch wohl gern antreten lassen, nachdem ihnen ihr erster Kämpfer nicht mehr gut genug war. So harmlos, wie es klingt, ist das alles aber nicht; ich habe einen gewissen Verdacht. Sicher weiß ich nur, dass es um einen Mann geht, der unter dem Namen Aquila in Mons Arbuini sitzt.«
Die Welt stand still, während Gjuki ausgiebig gähnte, Herrad einen Schluck Fencheltee nahm und Ardeija sich zu begreifen mühte, dass er tatsächlich gehört hatte, was er gehört zu haben glaubte.
»Oh verdammt!«, sagte er, als er sich gegen die Erkenntnis nicht länger sperren konnte.
Die Richterin sah ihn über den grün glasierten Rand der Trinkschale hinweg scharf an. »Ihr wisst doch etwas darüber!«
Ardeija traf seine Entscheidung, ehe Vernunft und Ehrgefühl sich von den Betrügern, die sich dafür ausgeben wollten, aus dem Weg wischen lassen konnten. »Ich weiß, wer Aquila ist, und dass Eure Annahme zutrifft. Doch das habe ich nicht von meinem Vater gehört.« Die Kälte, die ihn bei diesen Worten durchströmte, reichte aus, ihn für einen Augenblick selbst die Wärme, die durch Gjukis Haut in seine Hand drang, nicht mehr spüren zu lassen. Der Eindruck verflog so rasch, wie er gekommen war, doch er war keine Einbildung gewesen. »Ein Gespenst hat es mir gesagt. Und ich glaube, es ist gerade durch mich hindurchgegangen, um mich daran zu erinnern, dass ich ihm versprochen habe, Euch nichts über Aquila zu erzählen.«
22. Kapitel: Bocernae
»Schickt Frau Herrad Euch, mich zurückzuholen?« Oshelm sah beinahe ängstlich drein, als er die Frage stellte.
Ardeija hatte eigentlich damit gerechnet, ihn entweder in aller Eile unterwegs oder aber sinnlos betrunken in einem der Gasthäuser an der Straße von Aquae nach Mons Arbuini zu finden. Doch der Schreiber hatte auf einem großen Findling gesessen, als er ihn eingeholt hatte, und hatte sich weder umgewandt noch auf Ansprache geantwortet, bis Ardeija zu ihm hinaufgeklettert war. Für ein Gespräch unter vier Augen mochte das ganz nützlich sein, doch bequem war es auf dem kühlen, feuchten Stein, von dem aus man weit über die sanft gewellten Felder nach Westen blicken konnte, nicht gerade.
»Nein.« Ardeija fand keine Möglichkeit, seine Beine in eine Lage zu befördern, die ihm gefallen hätte. »Ich soll nur aufpassen, dass Euch nichts geschieht.«
»Warum dann die beiden da?« Oshelm wies über seine Schulter dorthin, wo Medardus und ein weiterer Krieger ein Stück entfernt mit den Pferden warteten.
»Damit wir überzeugender nach den Abgesandten der Richterin der Tricontinischen Mark aussehen. Mit einer richterlichen Aufforderung, uns den vorgeblichen Aquila zum Verhör vorzuführen, kommen wir weiter als nur mit List und gutem Willen, meint Ihr nicht?«
Oshelm wirkte nicht so erfreut, wie er es hätte sein sollen. »Hat Theodulf geredet?«
»Nur halb.« Gjuki schien beschlossen zu haben, dass es unter Ardeijas Mantel zu langweilig wurde, und begann, den Stein zu erkunden. »Wer jener ›Aquila‹ ist, hat Frau Herrad von mir.«
»Und von wem habt Ihr es?«
»Von Fürst Gudhelms Geist.«
Oshelm sah ihn schief an, zog die Aussage aber nicht offen in
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