Tricontium (German Edition)
behelfsmäßige Kriegsrat schien zu einem Ergebnis gelangt zu sein; Schritte eilten davon und eine Treppe hinunter. »Wenn ich mich nicht täusche, wird dort drüben« – sie deutete auf die mit einem Rankenmuster bemalte Tür an der östlichen Stirnseite des Saals – »sehr bald jemand erscheinen, der etwas mehr zu sagen hat.«
Wulfila nickte schicksalsergeben und hielt hinter dem Rücken ein Messer bereit.
Als Asgrim und Ebbo kurz darauf mit kleinem Gefolge durch die bezeichnete Tür erschienen, war ihnen anzumerken, dass sie mit der Entwicklung, die die Dinge genommen hatten, nicht sonderlich zufrieden waren. Ein Diener lief auf Ebbos Wink, die Fenster wieder zu öffnen, als ließe sich auf diese Weise unmissverständlich demonstrieren, wer die Entscheidungen zu treffen hatte.
»Fürst Asgrim, Graf Ebbo«, sagte Herrad, ohne den Kopf zu neigen. »Ihr habt Euch, wie ich sehe, in den Besitz der Burg gesetzt?«
Ebbo war überrumpelt genug, ihr darauf eine Antwort zu geben. »Ich halte sie für den König, solange kein neuer Vogt benannt ist. Nach dem gescheiterten Mordanschlag auf Gundulf wird man in Padiacum einige Tage brauchen, bis man sich um Aquae kümmern kann, und da der Vogt von Salvinae nichts unternommen zu haben scheint, ist es meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass es hier nicht zu Unruhen kommt.«
»Ein Anschlag?« Das war Herrad neu. »Auf den König? Wann ist das geschehen?«
Asgrim wirkte, als hätte er seinem redseligen Verbündeten gern einen Tritt versetzt; vermutlich war er nur zu leidend, den Gedanken in die Tat umzusetzen. »Wir haben Euch herrufen lassen«, verkündete er vernehmlich, ohne Herrads Frage zu beantworten. »Ihr schuldet uns einige Erklärungen.«
»Ihr mir auch«, entgegnete Herrad, ohne zurückzuweichen, als der Fürst vom Brandhorst nun einen Schritt näher herantrat. »Wer soll beginnen?«
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Asgrims Blick Wulfila nur flüchtig gestreift, als sei es von minderer Bedeutung, wer der Richterin in die Burg nachgeschlichen war. Nun aber ging ein Ausdruck von Erkennen über sein Gesicht und er blieb stumm.
Ebbo lächelte. Wahrscheinlich hatte er schon vor seinem Verbündeten vom Brandhorst begriffen, wie die Sache stand, und sich daran ergötzt, darauf zu warten, dass auch Asgrim endlich etwas bemerken würde. »Ich habe Euch gleich gesagt, dass einem gebrandmarkten Dieb nicht zu trauen ist, Asgrim. Er wird hingegangen sein und die arme Richterin mit wilden Geschichten verwirrt haben. – Ihr wisst doch, dass Euer Begleiter dort ein Brandmal trägt, Frau Herrad?«
»Das weiß ich.« Ein Windstoß fegte durchs Fenster herein und drohte, Herrads Haar in Unordnung zu bringen. »Ich weiß auch, seit wann und warum. Wisst Ihr das ebenfalls, Herr Ebbo?«
Asgrim schüttelte sehr missvergnügt den Kopf. »Es sah nach dem Brandzeichen von Aquae aus, das habe ich Euch gleich gesagt.«
Der Graf von Corvisium hatte die Arme verschränkt. »Nur, dass Ihr das für höchst günstig gehalten habt.«
Ein jugendlicher Krieger aus Ebbos Gefolge, seinem teuren, reich bestickten Mantel nach zu urteilen wohl einer der Söhne des Grafen, lachte und verstummte gleich darauf verlegen, als ihm auffiel, dass niemand seine Heiterkeit teilte.
»Nun, Richterin?«, fuhr Ebbo fort, ohne der kurzen Unterbrechung seiner Rede Beachtung zu schenken. »Wir wissen zu viel, Ihr ebenfalls, das haben wir gerade festgestellt. Wir können also ganz offen reden, nicht wahr? Da es sich nun aber so verhält, dass Ihr in einer Burg steht, die in unserer Hand ist, ist es wohl nur recht und billig, wenn wir Euch unsere Vorschläge unterbreiten und nicht umgekehrt.«
Herrad trat wie zufällig etwas zur Seite, näher zu den Fenstern hinüber. »Ihr könnt mir gern sagen, was Ihr zu sagen habt, Herr Ebbo, doch seid vorsichtig mit Aussagen, die Euch als verhüllte Erpressung ausgelegt werden könnten. Das ist weder einem königlichen Grafen noch jemandem, der auf Zeit den Vogt von Aquae vertritt, angemessen.«
»Es genügt mir schon, wenn Ihr eingesteht, erpressbar zu sein«, gab Ebbo mit einem feinen Raubkatzenlächeln zurück.
Herrad lachte. »Ihr werdet mir zustimmen, dass jeder Mensch, der allein gegen viele steht, bis zu einem gewissen Grade erpressbar ist. Gemeinhin sind wir schwache Geschöpfe und hängen sehr an unserem Leben und unserer Unversehrtheit. Nicht jeder kann ein zweiter Papinian sein.«
Vermutlich konnte sie sich glücklich schätzen, wenn auch nur die Hälfte der
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