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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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einmal ungenutzt gesehen hatte und wusste, wie man die Fenster, durch die der Wind fuhr, mit wenigen Handgriffen schließen konnte, konnte diese Form der Einschüchterung ihre volle Wirksamkeit jedoch nicht entfalten.
    »Bringt wenigstens in Erfahrung, wen Ihr vorladet«, sagte Herrad unhörbar mit einem leichten Kopfschütteln, war aber doch vorsichtig genug, ihre Gedanken nicht noch lauter auszusprechen, »und plant besser.« Die hohen Flügel des ersten Fensters schwangen auf ihre Berührung hin gehorsam zu. »Vor allem aber … – Was zum Teufel tut Ihr hier?«
    Das Dach des Vorbaus, der bis fast unter die Fenster emporreichte und einen Teil der Kanzlei der Vögte beherbergte, war nicht so leer, wie sie nach ihrem ersten flüchtigen Blick geglaubt hatte.
    »Sehen, was Ihr angestellt habt. Sechs Leute auf einmal hat für mich noch keiner aufgeboten!« Wulfila beeilte sich, durch das zweite Fenster zu steigen, bevor sie es vor seiner Nase schließen konnte. »Ich dachte, vielleicht braucht Ihr Gesellschaft.«
    »Das ist genau die Art von Heldentat, die sicherstellt, dass zwei großen Ärger bekommen, nicht einer allein.« Herrad beschloss, etwaige Rührung auf später zu verschieben. »Seit wann seid Ihr uns gefolgt?«
    »Ungefähr vom Decumanus an. Ich habe dort eingekauft, seht Ihr? Den hier habe ich sogar noch bezahlt, bevor ich Euch nach bin.« Der auf dem Dach etwas schmutzig gewordene Umhang, den er nun glattschüttelte, sah tatsächlich einigermaßen neu und weitaus besser als sein Vorgänger aus.
    Herrad hätte diese Bemühungen um ein angemessenes Äußeres zu jeder anderen Zeit mehr zu schätzen gewusst. »Wir werden heute ohne Zweifel noch viel Zeit haben, vermutlich hinter einer verschlossenen Tür. Dann müsst Ihr mir ausführlich erläutern, weshalb Ihr dachtet, es sei einen Versuch wert, in einem roten Mantel ungesehen in die Burg gelangen zu wollen.«
    »Immerhin bin ich hier«, sagte Wulfila gekränkt, »und so schwer war es nicht. Das Futter ist dunkel. Hereinzukommen ist ohnehin immer leichter, als wieder hinauszugelangen.«
    »Das lasst meine Sorge sein.«
    »Gern. Sollen wir gehen?«
    »Nein. Erst will ich wissen, wer mich sprechen möchte.«
    »Haltet Ihr das für vernünftig?«
    Herrad hätte ihm gern gesagt, dass er sich wohl besser mit Paulinus verstehen würde, als es von einem Dieb und einem Rechtsgelehrten eigentlich zu erwarten sei. »Für vernünftiger, als mich auf eine Flucht zu begeben, zu der man mich mit diesen offenen Fenstern gewissermaßen einlädt, und damit einen stichhaltigen Vorwand zu liefern, mich wirklich festzunehmen. Nein. Wenn wir gehen, dann auf einem Weg, den ich gewählt habe, und zu einem günstigeren Zeitpunkt. Sonst kommen wir vielleicht aus der Burg, aber nicht aus der Stadt. Hört Ihr nicht? Man beobachtet uns schon jetzt.«
    In der Tat waren vor der Tür, wo gewiss noch mehrere von Odas Kriegern Wache hielten, gedämpft Stimmen zu hören, die hastig miteinander berieten und sich das leise Gespräch im Saal wohl nicht erklären konnten.
    Wulfila sah dennoch unbehaglich drein und Herrad gestand sich ein, dass sie von jemandem, dessen Freiheit und Gesundheit in den letzten Jahren sicherlich mehr als einmal von rascher Flucht abgehangen hatten, gerade etwas viel verlangte. Ihn daran zu erinnern, wohin es geführt hatte, als er das letzte Mal überstürzt davongelaufen war, wäre allerdings kaum weniger hart gewesen.
    »Wir kommen schon aus der Stadt«, beharrte er nun. »Ich habe Wulfin nach Hause geschickt, und mein Vater wird bereits Euren ganzen Haushalt auf dem Weg haben.«
    »Das kann nicht schaden.« Wahrscheinlich würde Wulf sogar heimlich Vergnügen an dem Abenteuer finden, eine widerstrebende Freda, zwei fassungslose Knechte und sämtliche Krieger, derer er habhaft werden konnte, in Sicherheit zu bringen. Darüber, wie lange es dauern würde, alles wieder rückgängig zu machen, wenn die Vorsichtsmaßnahme unnötig gewesen war, wollte Herrad lieber nicht nachdenken. »Aber vielleicht wendet sich doch noch alles zum Guten. Hat Euch schon einmal jemand gesagt, dass Eure Gegenwart auf wunderbare Weise hilft, die Gedanken zu klären? Überlegt doch … Man bringt mich hierher und bietet mir die Gelegenheit, mich ins Unrecht zu setzen. Wenn man mich umbringen oder einkerkern wollte, wäre das verschenkte Zeit. Ich glaube eher, dass jemand ein Anliegen an mich hat und mich verwirrt und eingeschüchtert anzutreffen wünscht. Hört Ihr das?«
    Der

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