Tricontium (German Edition)
Theodulf, dem mittlerweile auch das herzlich gleichgültig war, hinter Tyra aufs Pferd heben und nahm ihn mit. Ganz uneigennützig waren seine Beweggründe nicht, doch das hätte er auch nie behauptet.
»Gebhard von den Fünf Eichen ist vor drei Wochen gestorben«, erzählte er noch auf dem Weg. »Seine Tochter und Erbin ist lange im Süden gewesen, weil ihr Mann dort Güter hat und sie sich mit ihrem Vater nicht verstand. Ich werde ihr schon begreiflich machen können, dass Gebhard uns noch Geld schuldet, und wenn sie eine ehrenhafte Frau ist, wird sie dich gern und bald auslösen.«
Doch Theodulf ging nicht mehr davon aus, dass irgendjemand auch nur halbwegs ehrenhaft war.
Der Winter stellte sein Vertrauen in die Menschheit bis zu einem gewissen Grade wieder her, denn auf seine Art meinte Halli es nicht böse mit ihm und sorgte dafür, dass Verletzungen behandelt und unbrauchbar gewordene Kleider durch neue ersetzt wurden. Als der Frühling kam, war Theodulf nicht mehr halbverhungert und verzweifelt, sondern eigentlich recht froh, noch lebendig zu sein, auch wenn die Verhandlungen mit Gebhards Tochter nur schleppend vorangingen und Halli ihn zu gut bewachen ließ, als dass es vorstellbar gewesen wäre zu fliehen.
Irgendwann brachte er den Mut auf, Asri zu erwähnen und Halli zu bitten, ihr einen Boten zu schicken, da sie gewiss versuchen würde, ein Lösegeld aufzubringen. Doch Tyra, die Halli den Ritt unternehmen ließ, kehrte mit der Nachricht zurück, Asri und Bara lebten nicht mehr dort, wo sie früher gewohnt hätten, und man habe ihr nicht mehr sagen können, als dass die beiden weiter nach Süden gezogen seien, vielleicht sogar in die Gegend jenseits von Aquae, wo bekanntermaßen nur Römernachfahren, Klosterbrüder und andere seltsame Leute lebten. Das klärte wenigstens eines; der Händler musste seinerzeit gelogen haben. Er hatte Asri wohl schon damals nicht mehr angetroffen und so hatte sie nichts erfahren können. Obwohl Theodulf damit nicht geholfen war, beruhigte ihn der Gedanke und er wiederholte ihn sich oft.
Im Frühsommer vergaß Halli dann für eine Weile, sich weiter mit Gebhards Tochter auseinanderzusetzen, die auch nicht anständiger als ihr Vater war, denn seinen Leuten ging eine weit bessere Geisel als Theodulf ins Netz, die leicht Hallis kleinen Krieg mit dem Brandhorst zu seinen Gunsten entscheiden konnte, nämlich der Sohn des damaligen Fürsten.
Herr Asgrim war verständlicherweise verärgert darüber, dass man ihn, als er einen Jagdausritt unternommen hatte, unversehens selbst zur Beute gemacht hatte, doch anders als Theodulf konnte er überzeugt sein, dass er für seinen unerwünschten Gastgeber sehr kostbar war. Er scheute sich daher nicht, seine schlechte Laune zur Schau zu tragen und allabendlich den ganzen Haushalt in Angst und Schrecken zu versetzen, indem er laut und in dem sicheren Wissen, dass niemand hier seinen Glauben teilte, lateinische Gebete sprach, die ebenso gut Fluchformeln oder Zaubersprüche hätten sein können. Nebenbei stellte er hartnäckig, wenn auch erfolglos, einer jugendlichen Verwandten des Häuptlings nach, schlug am Mittsommerabend einen Nebenbuhler nieder und achtete ohnehin sehr darauf, niemanden vergessen zu lassen, dass eine tiefe und berechtigte Feindschaft bestand. Als es ihm langweilig wurde, sich unbeliebt zu machen, begann er, sich mit dem einen natürlichen Verbündeten zu befassen, den er unter Hallis Dach hatte.
»Es ist eine Schande, wie man Euch behandelt hat, Herr Theodulf, auf beiden Seiten. Wenn das hier ausgestanden ist, werdet Ihr doch wohl nicht nach Fünf Eichen zurückgehen wollen?«
»Ich glaube ohnehin nicht, dass ich in absehbarer Zeit von hier fortkomme«, sagte Theodulf, der mit gar nichts mehr rechnete. »Und nach Fünf Eichen habe ich nie so recht gehört.«
»Dann kommt Ihr mit mir.«
So einfach würde das kaum sein, aber Theodulf wollte kein Hilfsangebot, und sei es auch noch so hoffnungslos, ausschlagen. Deshalb nickte er nur, wenn Asgrim bis in den Herbst hinein immer wieder davon sprach, dass er gute Krieger brauche und einmal bessere haben wollte als die, die seinem Vater Treue gelobt hätten.
Es kam aber nicht anders, als es von Anfang an zu erwarten gewesen war. Als die langwierigen Verhandlungen mit dem Brandhorst tief im Winter endlich beendet waren und Hallis Truhen und Kästen überquollen, ritt Asgrim allein und nur mit einem Winken zum Abschied vom Hof. Theodulf rechnete nicht damit, noch einmal von ihm
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