Tricontium (German Edition)
Entschädigung und Lösegeld zu warten.«
»Schon«, erwiderte Boso sehr unmutig, »aber wenn der Kerl uns unter den Händen wegstirbt und Gebhard davon erfährt, wird er sich nicht mehr verpflichtet fühlen, zu zahlen. Siehst du nicht, wie bleich er ist? Noch kann ich Wiglaf vom Bärenhügel vielleicht erzählen, dass es nur eine vorübergehende Schwäche wegen der Pfeilwunde ist, er sieht ohnehin nie so genau hin. Aber für einen toten Mann gibt selbst Wiglaf mir nichts mehr und dann habe ich den Schaden.«
»Du solltest dennoch ein paar Wochen warten«, meinte der andere.
Boso fluchte, und Theodulf sank in dem unguten Bewusstsein, dass sie wohl über ihn gesprochen hatten, zurück in eine Dunkelheit, die diesmal zwischen Fieberträumen und kurzen wachen Augenblicken, an die er sich später nur teilweise erinnerte, weitaus länger andauern sollte.
Als es ihm wieder besser ging, war es Hochsommer, und obgleich Boso es als sein gutes Recht zu betrachten schien, seinen Gefangenen nicht besser als einen gewöhnlichen Knecht zu behandeln und zu allen anfallenden Arbeiten heranzuziehen, war nicht mehr die Rede von Wiglaf und seinen Kühen. Allerdings teilte auch niemand Theodulf mit, welche Abmachung nun eigentlich mit Gebhard bestand, doch da gelegentlich vage von ausstehenden Zahlungen die Rede war, wagte Theodulf noch zu hoffen, obwohl es kein gutes Licht auf jemanden warf, wenn er auf die Forderung, eine Geisel zu stellen, ausgerechnet einen gemieteten Krieger aussuchte, der nicht einmal wach war und niemals seine Zustimmung gegeben hatte.
Als die Erntezeit vorüberging, ohne dass Gebhard von sich hätte hören lassen, war Theodulf überzeugt, dass auch nichts mehr zu erwarten war. Mehr durch einen günstigen Zufall als durch kluge Planung gelang es ihm, einen reisenden Händler zu fassen zu bekommen und ihn als Boten zu Asri zu schicken. Er hatte nicht viel, um ihn zu bezahlen, denn fast alles von Wert hatte Boso an sich genommen, doch eine bronzene Mantelspange, ein Geschenk von Asri, hatte er verschmäht, vielleicht, weil man dem Schmuckstück ansah, dass es nicht teuer gewesen war. Der Händler nahm es und versprach, den Hilferuf auszurichten.
Theodulf hoffte wieder, denn wenn seine Nachricht Asri erreichte, würde sie ihm helfen, Streit hin oder her. Er vertraute nicht vielen Menschen auf der Welt, doch Asri würde ihn bestimmt nicht im Stich lassen. Wenn sie kein Lösegeld aufbringen konnte, was mehr als wahrscheinlich war, dann würde sie sich etwas anderes einfallen lassen, vielleicht sogar wie eine Heldin aus den alten Liedern angeritten kommen und um ihn kämpfen. Von Schwertern verstand sie zwar nicht besonders viel, aber mit Messern war sie gefährlich und selbst Boso, der nicht immer ehrlich kämpfte, würde gegen sie nicht ankommen.
Nach drei Wochen war der Händler wieder auf Bosos Hof und da er aus Mitleid die Spange zurückgab, war Theodulf geneigt, ihn für einen anständigen Mann zu halten. Er sagte, er habe Asri nicht angetroffen, aber mit ihrem Vater gesprochen, der ihm zugesichert habe, alles getreulich auszurichten. Theodulf glaubte sich gerettet. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich alles zum Guten wenden würde. Asri würde ihm helfen. Er begann jeden neuen Tag mit diesem einen Gedanken und wiederholte ihn sich, wenn alles zu schlimm zu werden drohte, doch irgendwann, als aus dem Herbst ein langer Winter wurde, dem erst spät ein zögerlicher Frühling folgte, wusste er, dass er sich die schöne Geschichte nur noch erzählte, weil er früher einmal daran geglaubt hatte.
Der Händler musste gelogen haben, oder Bara hatte seiner Tochter nichts von der Nachricht gesagt; denn Asri hätte Theodulf nicht im Stich gelassen. Das immerhin konnte er sich weiterhin sagen und der schöne Traum, dass sie vielleicht nichts wusste und sich um ihn sorgte, war weitaus besser als das ernüchternde Eingeständnis, dass sein Schicksal niemanden mehr kümmerte. Asri wusste von nichts; es musste so sein, weil es nicht anders sein durfte.
In diesen Monaten kam Halli häufig auf den Hof seines Bruders, denn es war ihm gelungen, sich in eine längere Fehde mit dem Fürsten vom Brandhorst zu verstricken, und er benötigte mehr als einmal Bosos Hilfe. Manchmal blieb er nur kurz, um etwas zu besprechen, dann wieder für einige Tage und einmal sogar fast zwei Wochen lang, als er einen verletzten Fuß ausheilen lassen musste und sich auf seinem eigenen Hof, der näher an der Grenze lag, nicht
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