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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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ein Reittier zur Verfügung stellte, hatte man es wohl eilig damit, ihn in die Stadt zu bringen, und das verhieß neuerliche Verhöre und ärgeres Leid, vielleicht gar eine zweite Anklage.
    Doch aus unerfindlichen Gründen schienen seine beiden Bewacher es gut mit ihm zu meinen. Sie legten ihm keine Fesseln an und waren all die Stunden bis Aquae über bestrebt, ein belangloses Gespräch in Gang zu halten. Das Wetter in Aquae war schlecht gewesen, mit der Gesundheit des Vogts stand es auch nicht zum Besten und außerdem hatte er seinen schönen braunen Hengst in einer Wette an den Bischof verloren – ob ein Geistlicher überhaupt wetten durfte?
    Im ersten Gasthaus, das am Weg lag, sahen sie zu, dass Oshelm reichlich zu essen bekam, und in Aquae selbst brachten sie ihn nicht zu dem Turm, in dem er vor den Wochen in Mons Arbuini gesessen hatte, sondern zum Niedergericht und zu einer mittlerweile entsetzlich erkälteten Richterin, die ihn dennoch hochzufrieden über einen in bester Unordnung befindlichen Schreibtisch ansah, als ihre Krieger ihn in die Kanzlei führten. »Das habe ich gut gemacht, nicht wahr? Setzt Euch doch, Herr Oshelm.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte Oshelm und setzte sich dennoch brav, sein Bündel wie einen schützenden Schild vor sich, auf den angebotenen Stuhl.
    Die Richterin zog ein Taschentuch aus dem Ärmel. »Es wäre höflicher gewesen, Euch vorher zu fragen, das gebe ich zu. Hört her. Hier ist es seit dem Krieg etwas viel mit der Arbeit geworden und ich brauche dringend einen zweiten Schreiber, aber der Vogt hat mich nun schon seit Monaten vertröstet. Jetzt habe ich ihn daran erinnert, dass ich bei ihm noch etwas gut hatte, und er hat sich zwar ein bisschen gewunden, aber dann gesagt, dass ich Euch haben kann, wenn vorerst ein Teil Eures Lohns an ihn zurückfließt, bis eine entsprechende Buße abgezahlt ist. Das wird nicht ewig dauern, höchstens ein, zwei Jahre, und ich bin davon ausgegangen, dass Ihr die lieber hier als in Mons Arbuini verbringen werdet. Wenn nicht, kann ich Euch aber auch zurück in die Steinbrüche schicken.«
    Oshelm war sich noch immer nicht ganz sicher, verstanden zu haben, was Frau Herrad ihm erzählte. »Ich wäre frei, hier?«
    »Gegen Euer Wort, das Geld abzuzahlen und Pferdediebe in Zukunft nur mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis niederzuschlagen.«
    Doch Oshelm konnte nicht lachen; noch nicht. »Aber Ihr dürft mich gewiss nicht als Gerichtsschreiber einstellen, oder sonst jemanden, der schon verurteilt war. Das kann nicht erlaubt sein.«
    Herrad nieste. »Es ist erstaunlich, was für Gesetze es gibt«, entgegnete sie dann und versenkte ihre gerötete Nase abermals in ihrem Taschentuch, »aber noch viel erstaunlicher, welche es nicht gibt. Es ist genauestens festgelegt, wer Richter sein darf; dafür kämt Ihr in der Tat nicht mehr infrage. Aber über Gerichtsschreiber gibt es keine Bestimmungen. Ich könnte mir einen Troll aus den Wäldern holen und ihn zum Gerichtsschreiber machen, wenn ich wollte.«
    »Ich glaube nicht, dass Trolle schreiben können.«
    »Da die Leges et constitutiones noch nicht einmal fordern, dass ein Gerichtsschreiber schreiben können muss, wäre das kein Hindernis.«
    Oshelm neigte ergeben den Kopf und stellte sich auf anstrengende Zeiten ein.
    Am Abend desselben Tages wanderte er lange durch die Straßen von Aquae und war weder so müde noch so glücklich, wie er es hätte sein sollen. Zwar war er erleichtert, doch zugleich auch überzeugt, dass es ungerecht war, für einen unbeherrschten Ausbruch auch noch belohnt zu werden, während andere, die es mehr verdient hatten, nicht das Glück haben würden, vorzeitig befreit zu werden. Doch die Welt war nun einmal nicht gerecht und mehr, als darüber leise bekümmert zu sein, konnte er nicht unternehmen.
    Das neue Leben, das sich zwischen einer der Hütten auf Herrads Hof und dem Niedergericht für ihn ergab, war kein schlechtes und er gewöhnte sich rascher daran, als er erwartet hatte. Nur ein einziges Mal war Herrad gedankenlos genug, ihn mit einer Nachricht nach Mons Arbuini zu schicken. Als er bleich und verstört zurückkehrte, tat sie es nicht wieder, und er klärte sie nicht darüber auf, dass nicht allgemeine böse Erinnerungen für seinen Zustand verantwortlich waren, sondern ein kurzes Gespräch mit Gero.
    »Wie geht es Wulf?«
    »Fragt nicht.«
    Oshelm hatte nicht weiter gefragt, sondern an die Reihe namenloser Gräber gedacht, die während der zwei Monate, die er in

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