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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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gut. Und etwas anderes liegt hier nicht vor. Dies hier war ein gewöhnlicher Kampf unter Gegnern gleichen Ranges und es gibt kein Gesetz, das sagt, dass ein solcher Kampf nicht auch in einem Gefängnis oder einem Steinbruch stattfinden könnte. Ihr mögt mit den hiesigen Bestimmungen vertrauter sein als ich, doch bin ich mir fast sicher, dass sie sich nur auf echte tätliche Angriffe beziehen, nicht aber auf einen ehrlichen Kampf. Es ist nichts geschehen, was gegen das Gesetz wäre, und schlechtes Benehmen und die Fähigkeit, einen Gegner sehr rasch kampfunfähig zu machen, sind an und für sich noch nicht strafbar. Das mag man bedauern, aber es ist, wie es ist.«
    Oshelm benötigte einen Augenblick, um zu begreifen, dass der Laut, den Gero von sich gab, etwas wie ein Auflachen war. Gleich darauf fühlte er sich von den Wachen, die auf einen Wink des Hauptmanns herangekommen waren, unsanft wieder auf die Beine gestellt, bevor ihm die Handschellen abgenommen wurden.
    Gero schüttelte leicht den Kopf. »Du hast weitaus mehr Glück, als du es eigentlich verdienst, Schreiber, aber wir befinden uns im Gerichtsbezirk von Aquae Calicis, und wenn das Niedergericht von Aquae dich freispricht, werde ich dich wohl davonkommen lassen müssen.« Er klang nicht ganz glücklich darüber.
    Oshelm verneigte sich vor der Dame und zwang sich, seine schmerzenden Handgelenke nicht zu reiben; das wäre sehr unwürdig gewesen. »Ich danke Euch, Frau Herrad«, begann er und hoffte, dass man ihn nicht aus dem Zimmer führen würde, bevor er seine Rede zu Ende bringen konnte. »Es ehrt mich, dass Ihr für mich gesprochen habt, und ich zweifle nicht daran, dass Eure Einschätzung vom Standpunkt des Gesetzes aus vertretbar und nicht anzufechten ist. Dennoch glaube ich, dass Ihr die Entscheidung Herrn Gero überlassen solltet. Selbst wenn das, was ich getan habe, nicht gegen geltendes Recht verstößt, ist es doch kein Verhalten, zu dem man irgendjemanden ausgerechnet hier ermutigen sollte. Ich weiß, dass in ähnlich gelagerten Fällen die Schuldigen durchaus bestraft worden sind. Wenn ich nun nur aus dem Grunde davonkomme, dass Ihr Euch für mich eingesetzt habt, wird es viel böses Blut geben und ungeschriebene Regeln untergraben, denen man ihre Berechtigung nicht absprechen kann.«
    Es erstaunte ihn, dass man ihn hatte ausreden lassen, aber immerhin fühlte er sich zum ersten Mal seit Monaten wieder wie er selbst und war halbwegs zufrieden mit sich.
    »Nein«, sagte Herrad, die ihn die ganze Zeit über aufmerksam gemustert hatte, »ich kann Euch nicht zustimmen, Herr – «
    »Oshelm«, sagte Oshelm und fragte sich zugleich, warum sie ihm die Höflichkeit erwies, ihn so anzureden.
    »Ich kann Euch nicht zustimmen, Herr Oshelm«, wiederholte die Richterin. »Das Recht kann durch Gnade gemildert werden, wenn es angebracht erscheint, doch das Gegenteil ist niemals angemessen. Wenn das Gesetz zu milde ist, um noch wirksam zu sein, muss es geändert werden, aber solange es besteht, darf man es nicht willkürlich verschärfen, weil es einem nützlich erscheint. Man darf keinen Unschuldigen bestrafen. Das ist das schlimmste Unrecht, das ein Richter oder jemand, der anstelle eines Richters handelt« – sie warf dem Hauptmann einen kurzen Blick zu – »begehen kann.«
    Geros eine Hand lag auf dem Griff des Dolchs, den er am Gürtel trug. »Es ist genug; schafft ihn mir aus den Augen!«, befahl er. »Nur noch eines, Oshelm. Vergesst das, was ich über wenig Ehre gesagt habe.«
    Oshelm schien nicht der Einzige zu sein, der dies als eine halbe Entschuldigung, vielleicht auch mehr, verstand; der Krieger, der ihn beim Arm nahm, um ihn hinauszuführen, ging ungewohnt vorsichtig mit ihm um.
    »Ist er einer von denen, die nach Bocernae hergekommen sind?« hörte er die Richterin fragen.
    »Otachars Schreiber«, antwortete der Hauptmann. »Er ist …«
    Doch was er Geros Ansicht nach war, erfuhr Oshelm nicht mehr, denn der zweite Krieger schloss die Tür hinter ihnen, bevor der Satz beendet war.
     
    Tatsächlich schien die Angelegenheit damit vorerst abgetan zu sein. Die Wachen sprachen nicht mehr davon und die Rache der Freunde Aslaks, mit der Oshelm heimlich gerechnet hatte, blieb aus. Zwar spürte er, dass die Leute hinter seinem Rücken über ihn redeten, doch konnte es wohl nicht nur Ablehnendes sein, denn der Einzige, der ihn im Laufe des Tages geradewegs ansprach, ein junger Mann aus Aquae, der sich zur Strafe für mehrere Einbrüche hier befand,

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