Tricontium (German Edition)
mehreren Wochen doch halb und halb.
»Ich hatte seltsame Träume, als ich krank war«, sagte er, als eines Abends gerade der Priester vor Geros Fenster vorübergekommen war. »Einmal habe ich geglaubt, es wären gleich drei Priester an meinem Bett.«
Gero sah nicht von der Liste auf, die er eben durchging. »Das hast du nicht geträumt; ich habe sie holen lassen. – Bring mir die rote Tinte.«
Wulf tat wie geheißen. »Dass es aussah, als ob einer nötig wäre, verstehe ich. Aber drei?«
Nun endlich hob Gero den Kopf. »Ich wusste, dass du ein guter Christenmensch sein musst; immerhin ist deine Mutter aus irgendeinem Kloster weggelaufen. Aber von Deodatus hier hältst du nichts, das hat man dir angemerkt, und ich wusste nicht, ob dem so ist, weil man nun einmal nichts von ihm halten kann oder weil er die falsche Richtung vertritt. Da habe ich sicherheitshalber den Pelagianer geholt, der zum Haushalt des Zolleinnehmers gehört, und ein Arianer, der dort übernachtet hat, ist gleich mitgekommen. Leider warst du nicht sehr ansprechbar, als sie endlich da waren. Deshalb haben sie nur meinen besten Wein ausgetrunken und sonst nicht viel getan, außer sich mit Deodatus zu streiten … Und du hast im Fieber nach Signe gerufen. Das war ein schlimmer Abend.«
Wulf fragte sich, ob er ihm erzählen sollte, dass Signe auch getreulich gekommen war, doch da Gero weder zu Frauen noch zu Gespenstern je ein befriedigendes Verhältnis entwickelt hatte, schwieg er lieber darüber.
Als der Winter verstrichen war und Wulf auf dem Hof wieder mehr bekannte Gesichter sah als während der Monate, in denen die Arbeit im Steinbruch geruht hatte, fragte er endlich auch nach Krähe und erfuhr nicht mehr, als dass man den unglücklichen Schreiber nach Aquae zurückgebracht habe; er beneidete ihn nicht.
Im Regenwetter des Frühjahrs ging ein trüber Tag nach dem anderen einförmig vorüber, bis Gero an einem besonders nassen und unerfreulichen Morgen ins Küchenhaus kam und Wulf den Schürhaken aus der Hand nahm. »Wulf? Dein Sohn ist hier.«
Wulf hätte gern gewusst, was er nur getan haben mochte, um auch das noch zu verdienen. »Oh Gott«, hörte er sich selbst sagen, ohne dass er hätte sprechen wollen. »Was hat er angestellt?«
»Das weiß ich nicht so genau; vielleicht einen Richter bestochen«, erwiderte Gero und hob die Schultern, als sei es auch nicht weiter von Bedeutung. »Ich habe ihn zwar gefragt, aber er hat nur eine ganze Menge unzusammenhängendes Zeug geredet, dass deine Schwiegertochter tot sei und er einiges sehr falsch gemacht hätte … Aber immerhin hat er dir einen gesunden Enkel gemacht. Das ist doch auch schon etwas, nicht wahr?«
Das alles war mehr, als Wulf auf einmal ertragen zu können glaubte, doch er zwang den Gedanken an die arme, tote Merula nieder; weinen konnte er noch immer, nachdem er sich irgendetwas hatte einfallen lassen, um sicherzustellen, dass man sich halbwegs vernünftig um das Kind kümmern würde. Mons Arbuini war kein Ort, an dem ein Säugling gut aufgehoben gewesen wäre, und selbst wenn jemand aus der Dienerschaft des Hauptmanns sich überreden ließ, nach dem Kind zu sehen, war nicht gesagt, dass man es nicht absichtlich oder aus Gleichgültigkeit vernachlässigen würde. Vielleicht hatten sie ja Glück und es würde nur eine kurze Zeit zu überbrücken sein, ein Jahr oder auch nur einige Monate. Aber einen Richter zu bestechen war keine Kleinigkeit und in diesen unruhigen Tagen gewiss mehr als ein Grund, jemanden auf Nimmerwiedersehen in den Steinbrüchen verschwinden zu lassen.
»Wie lange?«, brachte Wulf schließlich hervor und betete stumm.
Gero begann zu lachen. »Du setzt ja wirklich großes Vertrauen in deinen Sprössling!«
Wulf konnte nicht einmal so tun, als wolle er mitlachen.
Gero sah wohl ein, dass weitere Scherze unangebracht gewesen wären. »Er ist nicht gefangen«, erklärte er. »Nicht gefangen, hörst du, Wulf? Er ist hier, um dich herauszuholen, mit irgendeinem Schreiben, das das Siegel des Vogts von Salvinae trägt … Was genau es damit auf sich hat, werde ich nicht prüfen. Sei froh, dass ich heute Morgen zufällig wenig Zeit habe. Komm; er war eben schon ungeduldig genug. Und lass dir nicht einfallen, dich hier jemals wieder blicken zu lassen!«
»Oh Gott«, sagte Wulf ein zweites Mal und dann den ganzen Tag über nicht mehr viel, auch nicht, als er vorn unter dem Torbogen seinen Sohn in die Arme schloss.
Ardeija hatte stumm gelauscht und schwieg
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