Tricontium (German Edition)
bieten haben, es ebenso halten.«
Sie schien den Vorschlag ernst zu meinen. Wulfila lachte unsicher. Er hatte selbst vor dem Krieg, als man ihn vielleicht noch nicht hinausgeworfen hätte, Odilos Badehaus nur von außen gesehen und verband mit dem Namen nur die unklare Vorstellung von einem sündhaft teuren, unerreichbaren Vergnügen, das mit alten Marmorsäulen, parfümiertem Wasser, kostbaren Ölen und Heerscharen von Dienern zu tun hatte. »Du kannst dich nicht mit mir bei Odilo blicken lassen, wenn man mich dort denn überhaupt einlässt.«
»Das werden wir ja sehen«, sagte Herrad unbeirrbar und nahm die Schlüssel des Hochgerichts vom Gürtel, um sie Maurus, der mit einigen anderen die Nachtwache stellte, zu übergeben.
Odilos Badehaus war aus und in dem entstanden, was von den römischen Thermen noch übrig war. Die Stufen, die zum Eingang hinaufführten, waren so sauber gefegt, als sei jemand eigens dafür abgestellt, jedes einzelne Blatt der umstehenden Eichen, das der Wind in die falsche Richtung zu tragen wagte, und jede schmutzige Fußspur sogleich zu entfernen.
Die Tür war bewacht, und hätte Wulfilas Hand sich nicht fest im unnachgiebigen Griff der Richterin befunden, wäre er spätestens beim Anblick der beiden Männer, die diese Aufgabe wahrnahmen, wieder umgekehrt. Die Kerle wirkten nicht, als seien sie zimperlich darin, ungebetene Besucher fernzuhalten, und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie für jemanden wie ihn den Weg freigeben würden, auch dann nicht, wenn er in Begleitung einer gerngesehenen Kundin kam und sein Brandmal und alle übrigen verräterischen Narben noch verborgen waren. Ein, zwei Schritte noch … Weiter würden sie ihn doch wohl nicht vordringen lassen?
Aber bis auf ein freundliches »Guten Abend, Frau Herrad!« bekamen sie nichts zu hören und das flüchtige Nicken, das für ihn abfiel, wirkte nicht sehr bedrohlich. Als sie auf dem Mosaikboden der von zahllosen Öllampen hell erleuchteten Eingangshalle standen, war Wulfila schon so weit, sich zu wünschen, noch etwas mehr von dem Gebäude zu sehen zu bekommen, bevor man entdeckte, dass er hier nicht hingehörte, und irgendwann zwischen dem Zeitpunkt, als Herrad ihre langen roten Strümpfe abstreifte und sorgfältig zusammenlegte, und dem, als er gegenüber von ihr im warmen Wasser eines breiten Zubers lag und deutlicher als alle neugierigen Blicke ihre Beine an seinen spürte, beschloss er, dass es für ein paar Stunden nicht darauf ankam, was die anderen Besucher des Badehauses dachten.
Herrad war bester Laune. »Doch kein schlechter Vorschlag, nicht wahr?«
»Ich würde nie behaupten, dass du schlechte Vorschläge machst«, sagte Wulfila und betrachtete wohlgefällig die schönen Brüste der Richterin. Er fragte sich, ob sie wohl in dieser Nacht die Tür zwischen der Küche und ihrem Schlafzimmer unverriegelt lassen würde.
Herrad nahm einen Schluck aus dem Becher mit gewärmtem Wein, den sie hatte bringen lassen, und lächelte vergnügt. »Das solltest du auch nicht, selbst wenn du es vielleicht denkst. Ich habe einen erholsamen Abend verdient! Wenn ich morgen einen ganzen Tag verliere, werde ich bis zum Gerichtstag so viel zu tun haben, dass ich keine Stunde mehr zur Ruhe komme.«
»Wo willst du überhaupt hin?«
»Nach Mons Arbuini, um mit Gero zu reden und diese Sache ein für alle Mal zu klären.« Sie winkte jemandem zu, den Wulfila nicht sehen konnte. »Nun sieh dich um und denk daran, freundlich zu lächeln! Prisca ist hier und wird sich schön wundern.«
Wulfila wandte gehorsam den Kopf und erkannte in einiger Entfernung die redefreudige Ärztin, die am Morgen an Getas Begräbnis teilgenommen hatte. Er nickte ihr höflich zu, war aber nicht überrascht, dass Prisca nur weiter mit recht entsetzter Miene zu ihnen herüberstarrte, ohne sich zu rühren.
Herrad schien sich daran nicht zu stören. »Freu dich, wir haben ein gutes Werk getan. Jetzt werden ihre Freundinnen erst einmal nichts mehr von den Missetaten ihres Schwiegervaters zu hören bekommen, dafür aber viel von uns. Hier, nimm, der Wein ist gut!« Sie reichte ihm den Becher.
Wulfila trank. »Hoffentlich schadet dir das alles nicht.«
Herrad sah ihn ernst aus ihren dunklen Augen an. »Und wenn, dann ist es auch nicht schlimm. Das ist mir die Sache schon wert.« Sie hatte nicht mit großem Nachdruck oder begleitet von irgendeiner Geste gesprochen, sondern so, als sei das, was sie ihm da sagte, eine
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