Tricontium (German Edition)
hier hätte verbringen können, besonders, da es nachher nie mehr so schön war wie vor meiner Reise. Meine Mutter hat es ohne ihn nämlich nicht ausgehalten. Sie hat ihn zwar um fast zehn Jahre überlebt, aber sie war nie mehr dieselbe und eigentlich immer unglücklich … Kein Tag, an dem sie nicht die trauernde Witwe gewesen wäre. Das war nicht angenehm, und ich habe mir geschworen, dass es mit mir nie so kommen sollte.«
Sie verfiel in nachdenkliches Schweigen, und Wulfila fragte sich, ob sie an den Mann namens Alanus dachte, der bei Bocernae einfach vom Pferd gefallen war und anders als Merula nicht einmal die Höflichkeit besessen hatte, zum Trost und zur Erinnerung ein Kind dazulassen. Was nun Merula betraf, war es gar nicht gut, sich gerade jetzt auf sie zu besinnen. Sie wäre sicher nicht zufrieden gewesen, ihren Mann mit einer fremden Frau im Badehaus zu wissen, und wenn umgekehrt das Tun der Richterin den Geist eines eifersüchtigen Alanus auf den Plan gerufen hätte, so hätte Wulfila es ihm nicht verdenken können.
»Hör zu, Merula«, sagte er deshalb sicherheitshalber stumm, »wo immer du auch mittlerweile bist, irgendwo dort muss sich auch ein gewisser Alanus herumtreiben. Du wirst ihn sicher leiden mögen, denn die Frau, die er zu Lebzeiten geliebt hat, scheint deinen Geschmack zu teilen, was Männer angeht … Aber das siehst du gewiss, nicht wahr? Vielleicht kannst du dich ja ganz gut mit ihm unterhalten oder gemeinsam mit ihm auf uns schimpfen, wenn euch das alles hier nicht gefällt. Aber glücklicher wäre ich schon, wenn du mir nicht böse wärst. Und hab keine Angst; Herrad ist gut zu Wulfin und wird weiterhin gut zu ihm sein, darauf achte ich.«
Nachdem dieses ebenso wichtige wie einseitige Gespräch beendet war, konnte er sich beruhigt wieder der Richterin zuwenden und verspätet antworten: »So ist es auch besser. Zu ändern ist doch nichts mehr, und keinem ist geholfen, wenn man vor Kummer vergisst, sein Leben weiterzuführen.«
»Da hast du Recht. Soll ich noch Wein kommen lassen, damit es auch schön ist, das weitergeführte Leben?«
34. Kapitel: Kämpfe, Knochen und ein Toter
Der Frost der letzten Nacht hielt in den Morgen hinein an und Ardeija war im Stillen froh, Frau Herrad auf dem Weg nach Mons Arbuini zu wissen. Sie würde sich nicht beschweren können, wenn er den geschützten Saal des Praetoriums nachher für Fechtübungen mit Rambert missbrauchte, statt draußen in der noch größeren Kälte ein paar zögerliche Hiebe vorzuführen und dann doch schnell wieder ins Haus fliehen zu wollen.
In anderer Hinsicht war ihm die Abwesenheit der Richterin allerdings weit weniger willkommen, verschob sie doch das unerfreuliche Gespräch, das mit jedem Tag schwerer zu führen sein würde, ein weiteres Mal. Er würde sich anstrengen müssen, Frau Herrad zu fassen zu bekommen, sobald sie aus Mons Arbuini zurück war, doch für den Abend hatte Malegis seinen Besuch angekündigt, und Ardeija konnte wohl schlecht gleichzeitig im Auge behalten, was der Zauberer mit den Händen seines Vaters anstellte, und der Richterin ernsthafte Vorhaltungen machen. Was von beidem wichtiger war, würde er notgedrungen erst kurzfristig entscheiden können. Den Morgen über war er beschäftigt genug damit, die neuen Krieger einzuweisen und Gjuki mit kleinen Leckerbissen zu füttern, damit er ihm endlich vergab. Schließlich brach er zu seiner üblichen Runde über Flusshafen, Burg und Markt auf, wobei er sich mehrfach sagte, dass er nun nicht mehr nach Fällen, die dem Niedergericht zustanden, sondern nach Arbeit für das Hochgericht fragen musste. Eingedenk dieser neuen Aufgabe übersah er geflissentlich eine zerlumpte Gestalt, die sich im Garten des »Bischofs Garimund« am Grünkohl zu schaffen machte. Darum sollten sich nun Honorius’ Leute kümmern, falls es denn überhaupt so wichtig war, diesem fürchterlichen Verbrechen Einhalt zu gebieten. Wenn sich gelegentlich sogar sehr anständige Leute gezwungen sahen, sich an fremden Kürbissen zu vergreifen, war es mit Grünkohl vielleicht nicht viel anders. »Du hast Glück«, sagte er leise im Vorübergehen und wusste, dass der heruntergekommene Dieb ihn nicht hören konnte.
Die Hafenzolleinnehmerin hatte nichts für Frau Herrad zu tun, war aber ungewohnt gesprächig, da sie gern erfahren wollte, ob etwas daran sei, dass die Richterin neuerdings einen concubinus habe. Ardeija gab sich unwissend und floh bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zur
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