Tricontium (German Edition)
»und wenn die Leute aus Salvinae nicht in Mons Arbuini wären, hätte ich mir die Mühe gar nicht gemacht. Aber wenn Sarus und seine Leute Unregelmäßigkeiten feststellen, herausfinden, wer dieser geflohene Aquila war, und das mit der Tatsache in Verbindung bringen, dass der Mann, der ihn verurteilt hat, auf ungeklärte Weise zu Tode gekommen ist, werden wir ohnehin halb Padiacum auf dem Hals haben … Unnötig, den Verdacht noch zusätzlich durch diesen Gerichtskampf zu schüren.«
»Unnötig auch, selbst die Warnerin gewesen zu sein, wenn Ebbo und Asgrim doch noch für ihre Verschwörung zur Rechenschaft gezogen werden?«, fragte Wulfila mit einem Lächeln.
Herrad sah ihn unerwartet ernst an. »Ich hätte es wahrscheinlich verdient, Ärger zu bekommen, auch wenn mich vorwiegend die besten Absichten in diese Lage gebracht haben; aber dazu, geradewegs nach Padiacum zu gehen und alles frei zu bekennen, bin ich dann doch zu feige. Keine vorbildliche Richterin, ich weiß.«
»Wir könnten uns auch alle unverdächtig machen, indem wir kurz über die Grenze gehen und Otachar einfangen«, sagte Oshelm und scherzte dabei offensichtlich nur halb. »Er hätte es verdient, doppelt und dreifach. Ich hätte mich gar nicht fragen sollen, warum er nichts für seine gefangenen Gefolgsleute und Freunde getan hat, als er nach Bocernae noch frei war. Von einem Mann, der einem Freund erst gelobt, ihn nicht anzutasten, und sich dann nicht daran hält, kann man in der Hinsicht nichts erwarten.«
Vielleicht empfand er tatsächlich nichts als Abscheu für die Tat des Markgrafen, doch Wulfila fragte sich, ob der Schreiber nicht zugleich heimlich froh war, endlich für sein Leid und das der anderen einen Schuldigen gefunden zu haben, der fassbarer war als ein ferner König.
Herrad dagegen sah nachdenklich auf ihre Hände hinab. »Ich war nie Kriegerin«, sagte sie und begann, den Aktenstapel vor sich zusammenzuschieben, »und ich weiß nicht, wie man in einer Schlacht denkt und handelt, ob man ganz derselbe ist wie immer. Nach allem, was Malegis erzählt, hat Otachar später selbst bereut, was er bei Bocernae getan hat, und wenn Gudhelm, vielmehr Gudhelms Geist, ihm auch verzeihen kann …«
Oshelm wirkte ganz und gar nicht besänftigt. »Er hätte es dennoch nicht tun dürfen«, verkündete er und stach mit einem Finger nach Wulfilas Brust. »Warum sagt Ihr nichts dazu? Ihr wart schließlich damals Krieger und anscheinend selbst bei Bocernae noch gut bei Verstand, wenn Ardeija die Wahrheit sagt.«
Wulfila schwieg lange und dachte an den kalten Kranichwald, den unsicheren Grund und den entsetzlich schweren Ardeija. »Ich war Krieger, ja«, sagte er am Ende, »aber keiner, von dessen Entscheidungen viel abhing. Was ich getan hätte, wenn ich Markgraf von Tricontium gewesen wäre und Ardeija ein Fürst an der Spitze seiner Streitmacht … Ich weiß es nicht. Lange nachgedacht, wahrscheinlich, ob mir die Freundschaft oder die Verantwortung für meine Leute wichtiger wäre. Und die Zeit hätte dann jemand genutzt, mich unschädlich zu machen. Deshalb wäre ich auch ein sehr schlechter Anführer.«
»Das glaube ich noch nicht einmal«, sagte Herrad.
»Und Asgrim scheint es auch nicht zu glauben, Herr Schwertmeister«, bemerkte Oshelm spitz.
Die Richterin stand auf, ehe das Gespräch eine ähnliche Wendung wie am Morgen nehmen konnte. »Wie es auch darum bestellt sein mag, hier bringen wir heute doch nichts mehr zustande. Geht Ihr auf geradem Wege nach Hause, Oshelm? Wenn ja, dann richtet Freda aus, dass sie meine Reisekleider für morgen früh herauslegen soll; ich muss einen Ritt über Land unternehmen.«
Mit einem kleinen Wink bedeutete sie Wulfila, auf sie zu warten, und beeilte sich nicht gerade dabei, die gepflegte Unordnung auf ihrem Schreibtisch umzuschichten.
»Wir beiden werden jetzt baden«, verkündete sie dann, als sich die Tür hinter Oshelm geschlossen hatte. »Gut und gründlich.«
»Es ist schon spät«, sagte Wulfila zögernd, obwohl er nach diesem Tag gegen ein heißes Bad eigentlich nichts gehabt hätte. »Freda wird sich bestimmt nicht freuen, wenn sie nicht nur mit den Kleidern, sondern auch noch mit einem Bad Arbeit hat, und das Badehaus am Westtor schließt bald nach dem Dunkelwerden.«
Herrad sah ihn mitleidig an. »Am Westtor badet man auch nur, um Staub und Schweiß loszuwerden. Aber Odilos Badehaus schließt erst nach Mitternacht und ich nehme an, dass alle anderen, die mehr als Wasser und Seife zu
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