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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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irgendetwas, das keinen Aufschub duldete, über den morgigen Sonntag liegen zu bleiben drohte, hätte sie vielleicht auf den Umweg verzichtet, doch sie wollte auch anderes Schreibzeug als das mitnehmen, das sie zu Hause für alle Tage bereithielt, ohne dass jemand aufmerksam darauf wurde. Ein Brief, der nach Padiacum gehen sollte, verdiente besseres Papier als ihre üblichen Notizen.
    Sie hatte nicht erwartet, außer den für die Nachtwache eingeteilten Kriegern noch jemanden anzutreffen, doch auf den Stufen des Praetoriums kam ihr Ardeija entgegen. »Ah«, sagte er anstelle einer richtigen Begrüßung. »Hatte ich doch Recht, dass Ihr hier noch vorbeischauen würdet! Ich wollte gerade zu Eurem Haus aufbrechen.«
    »Ist etwas geschehen?«
    Ardeija wiegte den Kopf, und die Richterin bemerkte, dass Gjuki nicht bei ihm war. »Wie man es nimmt. Kann ich Euch unter vier Augen sprechen?«
    Herrad nickte ihm zu, mit hinauf in die Kanzlei zu kommen.
    Was sie dort, während sie nebenbei Oshelms kurze Vermerke über die wichtigsten Vorgänge des Tages überflog, über einen plötzlichen Todesfall und einen reumütigen Geist erfuhr, war genau das, was ihr noch gefehlt hatte, aber immerhin konnte sie sich entsprechend rächen und mit der Schilderung der Hintergründe von Aquilas Gefangenschaft Ardeija seinerseits verblüfft dreinsehen und ein wenig bleich werden lassen.
    Als sie beide ihre Berichte beendet hatten, sahen sie sich eine ganze Weile schweigend über den Schreibtisch hinweg an, als sei nun alles gesagt und doch die Möglichkeit, ohne weitere Worte auseinanderzugehen, nicht gegeben.
    »Da wäre noch etwas«, begann Ardeija dann zögernd und sah im flackernden Licht der kleinen Öllampe so schuldbewusst drein, als habe er nun, da er die Beichte seines toten Fürsten übermittelt hatte, auch selbst etwas zu gestehen, das er nicht leicht über die Lippen brachte.
    Herrad unterdrückte ein Gähnen. »Ja?«
    »Ich muss mit Euch reden«, erklärte Ardeija, als täte er das nicht längst, doch schien er selbst zu begreifen, dass seine Worte nach einem unbeholfenen Versuch, Zeit zu schinden, klangen. Etwas in seinem Blick änderte sich hin zu einer fast erschreckenden Entschlossenheit, als säße nicht der gewohnte Ardeija dort, sondern jemand, der ernster und wilder war, ein Barsakhanenhäuptling, der eine letzte Gelegenheit zur Verhandlung gewährte, bevor er seinen bogenbewehrten Reitern einen Wink gab, den Tod auf seine Feinde regnen zu lassen. »Ein guter Gefolgsmann hat auch die Pflicht, seine Herrin vor Fehlern zu warnen, vor allem auch davor, unehrenhaft zu handeln. Ich habe bisher nie so mit Euch sprechen müssen und Ihr werdet es nicht gern hören, aber was Ihr da mit Wulfila tut … Das dürft Ihr nicht fortführen.«
    Ein diesbezüglicher Vorwurf war früher oder später zu erwarten gewesen, doch es wunderte Herrad, dass er schon jetzt erhoben wurde, und noch dazu von Ardeija, der in Liebesdingen selbst nie die größte Zurückhaltung hatte walten lassen und vermutlich mit sämtlichen Schankmägden im »Bischof Garimund« einen allzu vertrauten Umgang pflegte. »Ihr meint, dass die Leute reden werden und dass ich dem Ansehen des Hochgerichts ebenso wie meinem eigenen schaden werde, wenn ich mich mit einem gebrandmarkten Dieb einlasse? Das ist mir nicht entgangen.«
    Ardeija sah nun vollends unglücklich aus. »Ihr werdet schon keine Nachteile davon haben«, behauptete er, »im Gegenteil. Die Leute werden lachen, ›Frau Herrad hatte einmal ein Abenteuer nötig!‹ sagen und froh sein, dass Ihr menschliche Schwächen habt wie jedermann und nicht nur das Gesetz des Königs in Aquae seid. Aber Wulfila …«
    »Ob es in den Kreisen, in denen er sich gewöhnlich bewegt, eine Schande bedeutet, mit einer Richterin näher bekannt zu sein, kann ich natürlich nicht beurteilen«, erwiderte Herrad, die das Gespräch allmählich lustig zu finden begann.
    Doch Ardeija lachte nicht; der Barsakhanenhäuptling war zurück, und nun war er ernsthaft verärgert. »Ihr versteht nicht!«
    »Nein.«
    Ardeija musterte sie prüfend, als wolle er abschätzen, ob sie nur scherzte, doch lag noch ein anderer Ausdruck auf seinem Gesicht, und als er nun antwortete, klang er wie ein aufgeregter Junge, der seinem kleinen Bruder zu Hilfe eilte und schon im Voraus ahnte, dass der Gegner auch für ihn zu stark sein und die Prügelei schlecht ausgehen würde. »Ihr mögt ja denken, dass das, was Ihr tut, so angeht, weil er nur ein kleiner Dieb

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