Tricontium (German Edition)
Wände folgte, und winkte beim Eintreten seiner Gäste vergnügt. »Da seid Ihr ja! – Ah! Zeig her, du eitler Schreiber! Wo hast du das Ding aufgetan? Das sieht aus wie für einen Barsakhanen gemacht … Gibt es so etwas überhaupt in Aquae zu kaufen?«
»Das weiß mein Vater besser als ich«, sagte Wulfila mit gespielter Gleichgültigkeit und zwang sich, nicht stolz auf den verzierten Armschutz zu blicken, dessen weiches Leder sein rechtes Handgelenk angenehm umgab und der einen mehr als würdigen Ersatz für den schlichten Vorgänger bildete, den Ebbo in Corvisium so verärgert beschlagnahmt hatte. Billig konnte diese hübsche Torheit nicht gewesen sein, doch da Wulf die Ansicht vertrat, dass Otachar eine Rückgabe der seiner Kriegskasse entnommenen Summe nicht verdient habe, hatte er es sich wohl leisten können, für seinen Sohn verschwenderisch zu sein. »Er meint, so würde ich dem Hochgericht weniger Schande machen.«
Otter klopfte vertraulich auf das Spiralmuster, das den Armschutz wie ein aus bloßer Eitelkeit angeschafftes Schmuckstück wirken ließ. »Das, was hierunter steckt, sollte aber keine Schande für dich sein, eher ein Ehrenzeichen.«
»So? Meinst du, dass es eigentlich etwas wie ›Dem allerbesten Hühnerdieb, den das Niedergericht hiermit auszuzeichnen wünscht‹ bedeutet?« Ardeija setzte Gjuki auf einem pflaumenfarbenen Kissen ab und sah halb fragend, halb lachend in die Runde.
Wulfila, der, Ehre hin oder her, irgendwie das Glück gehabt hatte, den Platz an der kalten Außenwand zu bekommen, lächelte schief. »Es heißt allenfalls ›Der hier war heute gleich zweimal sehr dumm‹, weiter nichts.«
Otter drohte ihm mit dem Finger. »Das nimm schnell zurück, oder ich lade dich doch nicht ein.« An Ardeija gewandt fuhr er, indem er Wulfila auf die Schulter klopfte, fort: »Er hier war mein uneigennütziger Bote und Retter in der Not.«
»Dazu neigt er, ja«, sagte Ardeija herzlich unbeeindruckt und wandte sich gleich darauf lächelnd der Wirtin zu, die unaufgefordert eine Teekanne und vier Schalen, von denen eine nur halb so groß wie die übrigen war, hereintrug; ein Junge, der ihr zur Hand ging, setzte einen Teller mit süßem Gebäck daneben ab, was Gjuki zu aufgeregtem Zirpen veranlasste.
»Du wartest brav!«, sagte Ardeija zu ihm und sah, als sie wieder unter sich waren, Otter an. »Was genau war denn damals?«
»Was, du kennst die Geschichte gar nicht? Also hör zu! Du hast doch Radegunde auch noch erlebt, die einer ganzen Bande von Dieben und Hehlern vorstand, nicht wahr? Sie hatte leider herausgefunden, dass es vor allem mein bescheidener Beitrag gewesen war, der ihre damalige rechte Hand, diesen alten Knaben von den Inseln, nach Mons Arbuini gebracht hatte. Also ließ sie mir eines schönen Abends im ›Grünen Keiler‹ eine Falle stellen, um sich gebührend zu bedanken … Und ich kann dir sagen, die Lehre habe ich bis heute nicht vergessen! Ich bin da also im hinteren Raum, wo angeblich jemand auf mich warten soll, der etwas zu erzählen hat, aber da ist keiner. Stattdessen kommen mir auf einmal drei von Radegundes Lieblingen nach, und ich begreife, dass ich nicht heil fortkommen werde, es sei denn durchs Fenster. Ich öffne also den nächsten Fensterladen und sehe, dass dieser Dreckskerl von einem Wirt endlich, nach dem dritten Einbruch in zwei Jahren, meinen Rat befolgt hat, feste Gitter vor die hinteren Fenster setzen zu lassen. Großartig! Aber« – er hob den Finger wie ein geborener Geschichtenerzähler – »da ist auch jemand in den Schatten zwischen den Häusern, keiner aus Radegundes Sammlung, sondern irgendein Herumtreiber oder Bettler, wie es aussieht. Ich also: ›He, Freund, hilf mir, hilf! Einen halben Denarius für dich, wenn du zum Niedergericht gehst und sagst, dass Otter …‹ Aber weiter komme ich nicht, weil die Kerle mich zurückreißen und Radegunde nun selbst auf der Schwelle steht! Und ich denke noch ›Otter, du bist ein Dummkopf – welcher kleine Dieb, den du eben mit einem Huhn, das ihm nicht gehört, erwischt hast, wird freiwillig zum Niedergericht gehen, wenn er auch noch ein Kind auf den Rücken gebunden trägt und das Geld, das du ihm geboten hast, nicht einmal für die Buße reicht, die auf ihn wartet?‹ Das denke ich also noch und dann …«
Wulfila wusste, wie die Geschichte ausging; er lauschte Otters angenehmer Erzählstimme, ohne noch auf die Worte zu achten, und dachte stattdessen weiter über all das nach, was ihn schon den
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