Tricontium (German Edition)
werde ich meinen Haushalt zusammenrufen und verkünden, was ich zu tun gedenke. Ich hoffe stark, dass Ihr bis dahin Euer Vertrauen in mich so weit zurückgewonnen habt, dass Ihr dann ehrliche Glückwünsche aussprechen werdet, aber wenn Ihr noch immer Bedenken habt, ist dann für Euch vorbildlichen Gefolgsmann der rechte Zeitpunkt, sie zu äußern. Bis dahin aber erwarte ich von Euch, den Mund zu halten und den Blick höflich abzuwenden, wenn Ihr wie gestern unangemeldet in meine Kanzlei gestürmt kommt und etwas seht, das Euch nicht behagt. Und nun geht mir aus den Augen, bevor mir noch klar wird, wie unverschämt das, was Ihr eben gesagt habt, eigentlich war!«
Doch Ardeija rührte sich nicht. »Ihr habt ihn wirklich gern, nicht wahr?«, fragte er in einem Ton freudigen Unglaubens. »Und das, obwohl Ihr ihn verurteilt habt?«
»Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun«, sagte Herrad und dachte nicht ohne Zuneigung an den zerzausten Hühnerdieb von vor über fünf Jahren, der seinem Kind das Lied über den kleinen Esel vorgesungen hatte. »Gemocht habe ich ihn auch damals.«
»Schon … Aber dass Ihr auch etwas von ihm haltet, hätte ich nicht gedacht.« Ardeija wusste immerhin, in welchen Unterscheidungen sie dachte, auch wenn er die Grenzen an den falschen Stellen vermutete. »Sonst hätte Toste ja fast Recht haben können.«
»Was ist mit Toste?« Herrad erinnerte sich vage, dass der Kerl sich Oshelms Notizen nach in einer der Zellen tief unter ihnen befand.
»Er meinte, Ihr hättet auch ihn nehmen können«, sagte Ardeija mit einem halben Lächeln, »denn er hätte ja ein Auge mehr als Eure jetzige Wahl.«
Darüber konnte Herrad so sehr lachen, dass sie vergaß, wie verärgert sie eigentlich hätte sein sollen, dass ihr Liebesleben anscheinend mittlerweile schon mit jemandem wie Toste besprochen wurde.
Ganz ernst war sie auch später noch nicht, als sie zu Hause eingetroffen war und ihr Pferd sicher untergebracht hatte. Mit einem letzten Nicken zu Medardus und Adela hinüber ging sie zum Haus, nur um, kurz bevor sie die Stufen zur Hintertür erreichte, wie erstarrt stehen zu bleiben. Denn dort saß im fahlen Mondlicht die Trollfrau, kämmte sich die Schwanzquaste und sah die Richterin an.
Da es wohl ein aussichtsloses Unterfangen gewesen wäre, einen Troll zu bitten, von seinem einmal gewählten Platz aufzustehen, wollte Herrad schon den Weg zur vorderen Haustür einschlagen, doch eine leise Ahnung, dass es unfreundlich gewesen wäre, ohne Gruß zu gehen, ließ sie zögern. »Gute Nacht«, sagte sie, kam sich albern vor und wollte sich abwenden.
»Behalt ihn«, sagte die Trollfrau, obwohl sie doch sonst nie gesprochen hatte. Herrad fragte sich, ob sie Gedanken lesen konnte und von Wulfila oder vielleicht von Ardeija, der sich heute beinahe um seinen Posten geredet hatte, sprach. Doch ob Trolle mit einer Nachfrage viel anfangen konnten oder einen nur für dumm und unaufmerksam hielten, wenn man sie nicht gleich verstand?
»Das werde ich wohl tun«, sagte sie also nur.
»Tu das, ja!« Die Trollfrau stand auf und schüttelte sich. »Er macht viel bessere Grütze als deine alte Köchin.« Damit gab sie den Weg frei und verschwand im Dunkel bei der Stalltür.
36. Kapitel: Perlenkranich
Das Teehaus »Zu den drei himmlischen Rosen« lag so versteckt zwischen den Lagerhäusern in der Hafenvorstadt am Ufer der Mugila, dass Wulfila wohl am Eingang vorbeigelaufen wäre, hätte Ardeija ihn nicht begleitet.
»Im Sommer ist es schön«, erklärte der Hauptmann, als sie im Schein einer grünen Laterne, die etwas abenteuerlich an einem Kragbalken befestigt war, die hölzernen Stufen zur Tür hinaufstiegen. »Da kann man am Wasser unter den Bäumen sitzen und den Booten zusehen. Drinnen ist es aber auch ganz gut und die Wirtin ist immer sehr freundlich. Sie vergisst nie, ein kleines Schälchen bereitzustellen, aus dem Gjuki trinken kann.«
Der Drache auf Ardeijas Schulter zwitscherte fröhlich.
Das Innere des Hauses war durch Vorhänge in mehrere Abteilungen untergliedert. Ardeija schlug eine blassrot gemusterte Stoffbahn beiseite und bedeutete Wulfila, ihm weiter zu folgen, vorbei an einer Feuerstelle, um die einige Leute saßen und ihren Tee tranken, bis zu einem weiteren Vorhang, hinter dem eine geschützte Nische verborgen war, die eine einzige Kerze im Fenster nur unvollkommen beleuchtete.
Otter saß schon auf einer mit bunten Kissen überladenen niedrigen Bank, die hufeisenförmig dem Verlauf der
Weitere Kostenlose Bücher