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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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ganzen Tag über beschäftigt hatte.
    Der Morgen war seltsam gewesen, denn Herrad hatte zwar ihren gesamten Haushalt in die Kirche Sancta Maria ad Quercus geschickt, wo Eberhard der Pelagianer, einer ihrer Kindheitsfreunde, sehr vernünftig gegen das unsinnige Weihnachtsfasten der Augustinusanhänger gepredigt hatte, war selbst aber zu Hause geblieben und hatte Wulfila nur Geld mitgegeben, um eine Kerze zu entzünden, »für gutes Gelingen«, wie sie gesagt hatte. Was gut gelingen sollte, hatte sie ihm allerdings nicht erklärt, doch es mochte mit dem langen Brief zusammenhängen, den sie gerade beendet hatte, als alle anderen aus der Messe zurückgekehrt waren. Wulfila hatte die Blätter noch auf dem Schreibpult liegen sehen, doch hatte er nicht viel mehr als die schwungvolle Unterschrift lesen können: Herrada iudex, Flaviae Heribrandique filia . Das sprach für ein förmliches Schreiben, doch Herrad hatte nicht das Siegel des Hochgerichts und noch nicht einmal ihr eigenes benutzt, sondern nur eine Münze, die Crispinus als Vogt von Isia hatte prägen lassen, ins weiche Wachs gedrückt, um ihren Brief zu verschließen. Sie hatte keinen ihrer Krieger für den Botenritt bemüht, sondern still und heimlich einen ihrer Reitknechte losgeschickt, als solle er nur Wigbolds Pferd bewegen; der Mann war bis zum Abend, als Ardeija an die Tür geklopft und Wulfila abgeholt hatte, noch nicht zurück gewesen.
    Die Richterin hatte sich nicht über die ganze Angelegenheit geäußert und war überhaupt schweigsam gewesen. Nach dem Mittagessen war sie allen drohenden Fragen aus dem Weg gegangen, indem sie sich Wulfins erbarmt hatte, der schon den Kirchgang nicht sehr genossen und sich später zwischen all den besorgten Erwachsenen sehr gelangweilt hatte.
    »Ich kann zwar keine Pferde schnitzen wie dein Großvater«, hatte sie gesagt, »aber ich kann kleine Schiffe bauen. Hilfst du mir, ein paar fertig zu bekommen, bevor es dunkel wird? Heute ist ein guter Tag für Schiffe.«
    Ihre Rindenboote waren tatsächlich gar nicht einmal so übel geworden, aber was Wulfin weit mehr beeindruckt hatte, waren die Geschichten gewesen, die Herrad damit verbunden hatte. »Das hier wird die Victrix , die Galeere des Vogts von Isia. Er jagt damit die Seeräuber, die immer wieder den Küstenabschnitt, der ihm untersteht, unsicher machen. Das da, das erste kleine Boot, das wir gebaut haben, ist so ein Seeräuberschiff, und die Leute darauf wollen eines der reichen Landgüter an der Küste plündern. Was meinst du, sollen wir sie plündern lassen oder lieber dem Vogt einen Hinweis geben, wo sie zuschlagen werden?«
    »Was geschieht denn, wenn die Seeräuber gefangen werden?«
    »Dann haben die Gerichte in Isia viel Arbeit.«
    Die beiden waren immer noch damit beschäftigt gewesen, Herrads Schachfiguren auf dem Wassertrog vor dem Stall Seeschlachten ausfechten zu lassen, als Wulfila gegangen war.
    Er konnte nur hoffen, dass Herrads Verschlossenheit nicht bedeutete, dass sie etwas Gefährliches in die Wege geleitet hatte, aus dem sie nun mit den besten Absichten ihn und alle anderen heraushalten wollte. Dass sie sich nicht dazu geäußert hatte, was nun aus ihm werden sollte, da er auf dem Brandhorst nicht mehr viel herausfinden konnte, aber Asgrims Erpressung weiterhin ausgesetzt war, bestärkte ihn nur in dieser Befürchtung. Wahrscheinlich war es ihr ganz lieb, dass er bald fern von Aquae sein würde, falls ihr Brief den Zorn ganz Padiacums auf sie herabbeschwor. Aber aufhalten konnte er sie ja ohnehin nicht mehr, auch wenn er sich weigerte, fortzugehen, was wiederum geheißen hätte, ein sicheres Versteck für seinen Vater auftreiben zu müssen, der gewiss keinen gesteigerten Wert darauf legte, vor Asgrim davonzulaufen, und im schlimmsten Fall noch größere Dummheiten als Herrad machen würde …
    Hätte Otter ihn nicht angestoßen, hätte er sich wohl noch weiter in solchen Gedanken verloren. »He, Wulfila! Hörst du nicht? Ich sagte eben, dass ich nie dazu gekommen bin, dir deinen halben Denarius zu geben.«
    »Behalt ihn.«
    »Aber ich habe ihn dir versprochen.«
    »Du kannst mich ja ein zweites Mal zum Tee einladen.«
    »Nun zier dich nicht länger, du hast schließlich …« Er hielt inne.
    Ardeija hatte die Hand gehoben und flüsterte nun: »Leise! Hört ihr denn nicht?«
    In der Tat unterbrach gerade die Ankunft neuer Gäste das gedämpfte Gewirr der Geräusche jenseits des Vorhangs und eine der Stimmen, die vorher nicht zu hören gewesen

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