Tricontium (German Edition)
weder besonders schön war noch ein Kind von ihm empfing. Man sprach ihr Zauberkräfte zu, weil Sabur ihr dennoch so hoffnungslos verfallen war, und vielleicht konnte sie auch zaubern, denn mehrere Männer waren heimlich in sie verliebt. Bara war einer von ihnen.
Er hatte seine erste Frau sehr früh verloren und seine Verwandten redeten ihm zu, wieder zu heiraten und endlich die Kinder zu zeugen, die ihm in seiner kurzen Ehe versagt geblieben waren. Bara sagte darauf, er wolle das große Herbstfest abwarten, zu dem stets mehrere Stämme zusammenkamen und das als segensreicher Zeitpunkt für Hochzeiten galt.
»Er trauert noch um seine Frau«, sagten die Verwandten, wenn sie glaubten, dass er nicht zuhörte; Bara hörte es doch und schwieg dazu, obwohl sie sich täuschten. Seine erste Frau hatte ihm seine Mutter ausgesucht, und wenn er auch nichts Schlechtes über das Mädchen zu sagen wusste, das eine tüchtige Jägerin gewesen war und ihm außerdem drei gute Zuchtpferde vererbt hatte, fehlte es ihm doch nicht besonders.
Wenn er dagegen Perlenkranich im Zelt des Häuptlings singen hörte, so schnitt es ihm mitten ins Herz, und das wollte viel heißen, denn Bara war gewöhnlich kein Mann, der sich von Musik beeindrucken ließ oder überhaupt zu zarteren Gedanken neigte.
Er wusste, dass er Perlenkranich nicht so leicht würde bekommen können. Ein Häuptling hätte eine Geliebte einem gewöhnlichen Hirten selbst dann nicht abtreten können, wenn er es gewollt hätte, denn das hätte sein Ansehen so sehr beschädigt, dass er danach nicht lange Häuptling geblieben wäre. Doch die Helden in alter Zeit hatten die, denen ihre Liebe galt, gewöhnlich ohne weitere Umstände geraubt und Bara sah keinen Grund, das nicht auch zu versuchen. Es erschien ihm jedoch höflich, Perlenkranich von diesen Plänen in Kenntnis zu setzen, bevor er sie ausführte, und so ging er einige Tage vor dem Herbstfest zu ihr, als sie an einem Bach ihr Haar wusch, und sagte: »Du kannst weiterhin einen Anteil von weniger als einem Viertel an einem Mann haben, wenn es dir so gut erscheint. Ich meine aber, dass du besser beraten wärst, wenn du dir einen ganzen Mann nehmen würdest, auch wenn er kein Häuptling ist.«
Das erschien Perlenkranich gut gesprochen und sie machte mit Bara aus, dass sie sich auf dem Höhepunkt des Fests, wenn alle damit beschäftigt sein würden, die guten Ahnen anzurufen, am Schrein des kleinen Fuchsgotts treffen würden. Denn dieser Schrein stand am Ufer eines Flusses, in dem gelbgefleckte Dämonen leben sollten, und wenn die Fliehenden ein Stück Weges im Flussbett aufwärts ritten, würde es vielleicht heißen, diese Dämonen hätten sie geholt. Dafür, dass das nicht wirklich geschah, wollte Perlenkranich Sorge tragen; sie sagte, sie hätte ein mächtiges Amulett aus ihrer Heimat, das alle übernatürlichen Feinde fernhalten würde, und gegen alle anderen Verfolger müsse List genügen.
So waren sie sich rasch einig und es hätte alles leicht so geschehen können. Doch auf dem Herbstfest dankte man nicht nur den Göttern, Geistern und Ahnen. Die Opfer, Tänze, Gesänge und sonstigen Zeremonien, die ihnen galten, füllten nur einen kleinen Teil der Tage aus und bildeten zwar den hauptsächlichen, aber nicht den alleinigen Anlass, zusammenzukommen. Man feierte, trank, veranstaltete Pferderennen und kämpfte zum Vergnügen oder im Ernst. Manch ein Streit unter Betrunkenen endete blutig, und so geschah es, dass Baras älteste Schwester, die eine wilde Kriegerin war, den Mann einer Nichte Saburs erschlug. Das war am Vorabend des wichtigsten Festtags und man verhandelte bis in die Nacht über die angemessene Buße.
Saburs Nichte forderte zwölf Pferde, doppelt so viele Schafe und genug Gold, um die Waffen ihres Mannes aufzuwiegen. Das war mehr, als Baras gesamte Familie, die nicht sonderlich reich und bedeutend war, hätte aufbringen können, und so sagte seine Schwester zu der Witwe: »Das alles kann ich dir nicht geben; aber ich gebe dir zwei gute Hengste und einen neuen Mann. Mein Bruder hat keine Frau und er ist jung und stark. Lass dir das genügen.«
Ein ungesühnter Totschlag hätte allen das Fest verdorben und die Götter erzürnt; also redete Sabur seiner Nichte zu, das Angebot anzunehmen und nicht auf einer anderen Buße oder gar auf Rache zu bestehen.
Bara hielt nicht sehr viel von dieser Regelung, doch er war nur das jüngste Kind von vieren und wusste so gut wie alle anderen, dass er seine Verwandten ins
Weitere Kostenlose Bücher