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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Luke am Stall drang und weder der Laut eines Menschen noch eines Tieres war, sondern ohne eigentliche Melodie an- und abschwoll, dunkel und beruhigend wie ein Schlaflied, das aber bald wieder verstummte.
    »Schließ die Tür«, bat Herrad, die sich nah am Feuer niedergelassen hatte, »es ist so kalt!« Sie füllte sich eine Schale mit dem Gemisch aus dem Topf und erzählte noch immer nichts; niemand wagte zu fragen.
    »Wenn die Birkengeister singen, singen sie den Frühling herbei«, sagte Asri in die Stille hinein, »und wenn die starken Bärengeister in den Bergen singen, verheißt das Glück für die Jäger und Fischer. Aber wenn die Dämonen in der Steppe singen, dann muss man sich in Acht nehmen und beim nächsten Schrein oder heiligen Baum Zuflucht suchen.«
    »Aber wie ist es mit Trollen?« Wulfin hatte sehr gut bemerkt, dass all dies die ursprüngliche Frage der Richterin nicht beantwortete.
    »Mit denen kenne ich mich nicht aus«, gestand Asri schulterzuckend.
    »Vielleicht hat sie ja auch nur einen kleinen Troll, der nicht schlafen kann«, sagte Herrad und freute sich augenscheinlich, dass es ihr gelungen war, mit diesem Bild ein Lächeln auf Wulfins Gesicht erscheinen zu lassen. »Das hier ist übrigens gut.« Sie deutete auf ihre Teeschale. »Was ist das?«
    »Das Zeug, von dem du in Tricontium nichts wissen wolltest, in etwas abgewandelter Form«, erklärte Wulfila und zählte abermals die Bestandteile auf.
    Herrad lachte. »Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Aber hieran kann man sich gewöhnen.«
    »Was habt Ihr nun auf der Burg erreichen können?«, fragte Ardeija, der wohl von all diesen Nebensächlichkeiten genug hatte, unvermittelt. »Oder hat sie auch Euch nicht vorgelassen?«
    Herrad sah auf. »Doch. Dazu wäre ich gleich noch gekommen, Herr Ardeija. Ich habe etwas erreicht – aber nicht viel. Justa hätte den ganzen Vorfall wohl gern großzügig übersehen, aber da ich hartnäckig war, hat sie sich zu einem Zugeständnis bereitgefunden. Sie wird Asgrim und uns morgen anhören, auch Euren Vater selbst, doch sie legt Wert darauf, dass keine Anklage gegen Asgrim ausgesprochen, sondern nur ein befremdliches Geschehen in seinem Ablauf und seinen Gründen geklärt wird.«
    »Ein befremdliches Geschehen, so?«, fragte Ardeija, ohne die Stimme zu heben, aber in einem Ton, der nichts Gutes verhieß. »Es ist also bloß ›ein befremdliches Geschehen‹, wenn mein Vater verschleppt wird, kein Verbrechen, das eine Anklage verdient? Was …«
    Herrads Blick brachte ihn zum Schweigen. »Seid still. Begreift Ihr gar nicht, was das bedeuten kann, wenn wir Glück haben? Wenn wir gut argumentieren – vielmehr, wenn ich es tue, denn Ihr werdet tunlichst mich reden lassen –, dann muss Asgrim Euren Vater vielleicht gehen lassen, kann aber sein Gesicht wahren. Wenn alles nur ein bedauerliches Missverständnis war, ist niemand schuld. – Besonders gut gefällt es mir auch nicht, mich darauf einlassen zu müssen, aber etwas Besseres konnte ich nicht aushandeln und man lernt in dieser Stadt ja langsam, sich mit dem kleinsten Übel zufriedenzugeben.«
    »Mir ist es recht«, erklärte Asri, bevor ihr Sohn noch weitere Einwände machen konnte. »Wenn Asgrim allerdings kein Missverständnis einräumt und auch nicht bereit ist, Theodulf gehen zu lassen, dann werde ich meine Anklage dort, vor Frau Placidia Justa, öffentlich wiederholen.«
    »Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt.« Herrad leerte ihre Teeschale. »Es wird so schon schwierig genug werden, denn Asgrim wird vorbereitet sein und alles ausgraben, was er gegen Euch und Herrn Theodulf vorbringen kann. In den meisten Fällen werde ich etwas zu erwidern wissen, aber wir sollten uns vorab einigen, was wir sagen, wenn er Rambert zurückfordert.«
    »Wenn das geschieht, lasst Ihr mich reden«, sagte Ardeija und suchte Herrads Blick, als wolle er ihr stumm mehr als das, was er laut aussprach, mitteilen. »Nur so lange, bis diese eine Sache geklärt ist. Ich verspreche Euch auch, nicht mehr als das Nötigste zu sagen und niemanden zu beschimpfen … Zumindest nicht sehr.«

41. Kapitel: Die Verhandlung
    Der maigrüne, mit silbernen Drachen bestickte Kaftan, den Flavia vor vierzig Jahren zum Geschenk erhalten hatte, war selten getragen worden und lag meist wohlverwahrt zwischen schützenden Leintüchern und Lavendel in der großen Kleidertruhe, aber nach ihrem Gespräch mit Justa hatte Herrad Freda angewiesen, ihn für diesen Morgen bereitzulegen, weil er das

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