Tricontium (German Edition)
genug gewesen, seinen ehemaligen Schwertmeister über die eigentliche Entführung hinaus nicht zu misshandeln. Theodulf stand aufrecht und allem Anschein nach bis auf die gebrochenen Handgelenke unverletzt zwischen zweien der Krieger vom Brandhorst und wirkte vollkommen beherrscht, selbst als sein Blick kurz zu seiner Familie wanderte. Vielleicht war das, was ihn einst zu Asri hingezogen hatte, schlicht die Tatsache gewesen, dass sie beide gleichermaßen undurchdringlich dreinsehen konnten.
Fast beschämt, dass ihr so unangemessen heitere Gedanken durch den Kopf zu gehen wagten, richtete Herrad ihre Aufmerksamkeit ganz auf Gruß und Gegengruß und all die unnötigen einleitenden Worte, die Justa zu sprechen beschlossen hatte. Die kleine Rede über das gute Auskommen miteinander und die Notwendigkeit offener Gespräche war ebenso geschliffen wie unaufrichtig, doch Herrad war beinahe bereit, der Königsbotin zu verzeihen, da Justa sich, nachdem sie geendet hatte, nicht Asgrim in seinem schönen Luchspelz, sondern ihr zuwandte.
»Die, auf deren Bitten wir dies Treffen abhalten, sollte auch zu sprechen beginnen«, verkündete sie und bedeutete ihrer Freundin mit einer Handbewegung, vorzutragen, was sie zu sagen hatte.
Doch Herrad hatte kaum den Mund geöffnet, als Asgrim sie mit dem verbindlichsten nur denkbaren Lächeln unterbrach. »Was wollt Ihr Zeit und Mühe verschwenden, Herrad von Mons Arbuini? Ihr werdet sagen, dass Ihr im Namen eines Eurer Gefolgsmänner sprecht, werdet eine Entschädigung dafür fordern, dass ich gestern in das Haus seiner Mutter eingedrungen bin, und werdet nach der Freilassung Theodulfs rufen, das alles gewiss in so kunstvoller Form, dass der große Cicero neidisch werden würde. Ich kann ebenso gut gleich auf diese Vorwürfe antworten und einiges, was Euch gewiss falsch berichtet worden ist« – er sah in einer Weise zu Ardeija hinüber, als wolle er eine unbedachte Zornesäußerung geradezu herausfordern – »sogleich richtigstellen.«
Herrad bewies ihm, dass sie ebenso mühelos lächeln konnte wie er. »Ihr irrt, Fürst«, sagte sie, ohne die Stimme zu heben. »Was Ihr ansprecht, ist in der Tat nicht ohne Bedeutung, doch Ihr lasst einiges aus. Ich verlange zunächst Aufklärung darüber, weshalb Ihr neulich den Hauptmann meiner Krieger im Kranichwald widerrechtlich und ohne guten Grund gefangen genommen habt. Wenn Ihr mir darauf geantwortet habt, sehen wir weiter.«
»Ihr lenkt ab«, sagte Asgrim geschmeidig und immer noch mit vollendeter Freundlichkeit. »Wenn Ihr tatsächlich der Ansicht gewesen wäret, dass diese Gefangennahme grundlos und wider geltendes Recht war, hättet Ihr mich gewiss schon vor Tagen auf diese angebliche Untat angesprochen.«
Justas linke Hand spielte träge mit den Silberbeschlägen am Halsband des weißen Hündchens auf ihrem Schoß, doch ihre Augen funkelten und Herrad ahnte, dass sie ungeachtet ihrer Wünsche, was den Ausgang der Verhandlungen betraf, den Wortwechsel genoss wie andere einen guten Schwertkampf.
»Ihr täuscht Euch abermals, Fürst. Habt Ihr vergessen, dass ich Euch meinen Schreiber Oshelm geschickt habe, noch während Ardeija gefangen war? Ihr habt meinem Schreiber und damit mir kaum Aufschluss über Eure Gründe gewährt.«
»Ihr wisst, dass ich davon ausgehen musste, dass Euer Hauptmann sich in feindlicher Absicht auf meinem Land befand«, sagte Asgrim unwillig, »genügt Euch das nicht? Im Übrigen ist nie geklärt worden, was ihn nun eigentlich veranlasst hat, ungebeten bewaffnet so nahe bei meiner Burg zu erscheinen.«
»Weshalb Ihr drei Tage im Voraus wusstet, dass er ganz unerwartet auf Eurem Land auftauchen würde, so dass Ihr einen Hinterhalt veranlassen konntet, hat sich auch nie geklärt, nicht wahr?«, fragte Theodulf ruhig und wandte sich, bevor Asgrim zu Wort kommen konnte, rasch an Justa: »Was damals geschehen ist, war wohl auf allen Seiten ein bedauerliches Missverständnis und wird sich nicht mehr in allen Einzelheiten nachvollziehen lassen. Wir können diese Angelegenheit bedeutend abkürzen, wenn wir uns auf das beschränken, was hier und heute wichtig ist.«
»Das könnt Ihr haben, Theodulf!«, sagte Asgrim zornig. Herrad hätte ihm sagen können, dass er einen Fehler beging; es zahlte sich nie aus, Justa so zuvorzukommen, dass sie sich übergangen fühlen musste.
Doch vielleicht hätte selbst das Asgrim nicht gekümmert. Er packte seinen früheren Schwertmeister grob beim Kragen und es war wohl nur die Folge
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