Tricontium (German Edition)
ausgefallenste und kostbarste Kleidungsstück war, das sie besaß. Asgrim sollte auch äußerlich eine würdige Gegnerin bekommen; wenn man auf der Burg etwas erreichen wollte, musste man schließlich entsprechend auftreten.
Aus dem gleichen Grund hatte sie befohlen, die Pferde bereit zu machen. Heute war nicht der Tag, an dem es sich anbot, demütig und bescheiden zu Fuß einzutreffen.
»Wir können nur hoffen, dass Asgrim nicht mit ernsthafter Gegenwehr und mit meinem Eingreifen gerechnet hat«, sagte sie zu Wulfila, während sie sich die zarten Silberschnüre ins Haar flocht, die sie in Erwartung ihrer Hochzeit, die nie stattgefunden hatte, hatte anfertigen lassen, »sondern allenfalls mit einem ohnmächtig mit dem Schwert fuchtelnden Ardeija.«
»Sag das Ardeija aber nicht«, bat Wulfila, der auf ihrem Bett saß und damit befasst war, Wulfins Locken in einen festen Zopf zu zwingen. »Er ist verzweifelt und das nicht zu Unrecht – Halt endlich still, Wulfin!«
»Kann ich die Haare nicht einfach offen tragen?«
»Nicht, wenn du mit auf die Burg willst. Man geht nicht ungekämmt und zerzaust zu einer Königsbotin.«
Herrad unterdrückte ein Lächeln und steckte eine letzte widerspenstige Haarsträhne fest. »Heute müssen wir wirklich alle einen guten Eindruck machen«, sagte sie ernst zu Wulfin, »Leuten, die nicht vertrauenerweckend aussehen, glaubt man nicht, so ungerecht das auch sein mag.«
»Ihr seht schön aus«, versicherte Wulfin ihr und schien aufrichtig davon überzeugt zu sein.
Herrad griff nach ihrem Schwert, das auf dem Deckel der Kleidertruhe bereitlag. »Nur schön? Eindrucksvoll, will ich hoffen.«
»Auch das«, sagte Wulfila, »sofern du Asgrim glauben machen willst, dass du einen halben Barsakhanenstamm bereit zum Angriff vor der Burg liegen hast. Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas diesseits der Grenze überhaupt zu bekommen ist.«
Herrad lächelte befriedigt und ließ die weiten Ärmel schwingen, um das dunkelgrüne Seidenfutter sehen zu lassen. »Ich glaube auch kaum, dass man so etwas kaufen kann. Das hat eine Barsakhanenfürstin meiner Mutter geschenkt, als sie jung war. Erst haben sie gekämpft, dann haben sie Frieden geschlossen.«
»Eure Mutter hat gegen die Barsakhanen gekämpft?« Wulfins überraschte Kopfbewegung machte fast die Bemühungen seines Vaters zunichte.
»Nicht gegen allzu viele«, räumte Herrad ein. »Dein Großvater hat sicher mehr von der Sorte gesehen. Aber wenn du möchtest, erzähle ich dir nachher, wenn wir wieder zu Hause sind, von Tengri Khatun.«
Das Angebot war nicht ganz uneigennützig. Herrad hatte die unschöne Vorahnung, dass sie Ablenkung brauchen würde, wenn die Anhörung erst vorüber war.
Sie gab sich zwar zuversichtlich, als sie jetzt ins vordere Zimmer trat und zum Aufbruch rief, aber in Wahrheit hatte der Verlauf des Gesprächs mit Justa am Vorabend ihr nicht gefallen.
Erst hatte ihre alte Freundin gar nichts von der Entführung wissen wollen.
»Du musst diese Heirat ja sehr nötig haben, wenn du dafür bereit bist, einen königlichen Grafen zu verprellen und darüber hinwegzusehen, dass in deiner Stadt ein Mann verschleppt wird«, hatte Herrad nach vielen fruchtlosen guten Worten zornig gesagt.
Justa war noch nicht einmal ärgerlich geworden; sie hatte Herrad nur mit einem halb nachsichtigen, halb müden Lächeln ihre zierlichen Hände, die nach Jasmin dufteten und schwer von Ringen waren, auf die Schultern gelegt. »Denk einmal nach, Herrad«, hatte sie gesagt. »Ich will und muss mich in dieser Stadt halten, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern vielleicht ein Leben lang. Es wäre töricht, wenn ich es mir mit einem der wichtigsten Männer der Gegend verscherzen wollte. Ebbo ist nur ein armer Niemand, den man eingedenk seiner guten Dienste für die Krone im letzten Krieg auf einen leidlich ehrenvollen Posten am Rande der Welt gehoben und vergessen hat. Wenn er Glück hat, erinnert man sich seiner weiterhin nicht und lässt ihn machen; wenn er aber Pech hat und es andere zu belohnen gilt, ist er bald nur noch das, was er einmal war, ein kleiner Herr über fünf Dörfer und eine zerfallende villa rustica mit zu vielen Kindern und wenig Aussichten, es noch einmal zu etwas zu bringen. Asgrim ist derjenige, der langfristig hier oben mehr Einfluss haben wird. Jetzt trägt er zwar noch an den Folgen des Krieges, aber in zehn oder zwölf Jahren wird er noch immer auf dem Brandhorst herrschen, er oder seine Erbin. Wenn mein
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