Tricontium (German Edition)
ich weiß so gut wie Ihr, dass Justa sich nicht aus reiner Herzensgüte offen gegen Asgrim stellen wird, nur weil ich sie darum bitte. Doch die Bereitschaft, Asgrim ins Gewissen zu reden, oder ein Versprechen, nicht zu genau hinzusehen, was auf der Burg vorgeht, wären immerhin besser als nichts. Anhören wird sie mich jedenfalls.«
Sie blieb lange aus.
Asri hatte Ardeija im vorderen Zimmer beiseitegenommen, während Freda damit beschäftigt war, ausreichend Bettzeug für alle unerwarteten Gäste aufzutreiben.
Wulfila war heimlich froh darüber, in der Küche nur die Kinder um sich zu haben, während er daran ging, das geheime Mittel seines Vaters gegen alle Sorgen und Kümmernisse zuzubereiten. In Herrads Keller befand sich nichts von dem Gebräu, das die Barsakhanen erfunden hatten, aber gewöhnlicher Branntwein reichte auch aus, um eine vergleichbare Wirkung zu erzielen, und der Apfelwein, den er fand, war auch ohne jegliche Beimischung nicht zu verachten.
Vielleicht war Wulfila für eine Weile etwas zu beschäftigt damit, die einzelnen Zutaten ausführlich zu probieren, denn als er endlich bemerkte, dass Rambert und Wulfin am Tisch sehr still geworden waren, hatten sie wahrscheinlich schon eine Weile abwartend geschwiegen.
»Ist es wirklich so, wie Rambert sagt?«, fragte Wulfin nämlich und setzte mit einer Miene, als ahne er, dass sein Vater nicht gut zugehört hatte, sicherheitshalber hinzu: »Dass Fürst Asgrim im Recht ist, weil Herr Theodulf ihn verraten hat und Verräter bestraft werden müssen?«
Eine derartige Frage war früher oder später zu erwarten gewesen, aber Wulfila war alles andere als froh, dass es ihm zufiel, sie den beiden zu beantworten.
»Ganz so ist es nicht«, sagte er schließlich. »Wenn Asgrim selbst nichts Böses getan und Theodulf ihn dennoch hintergangen hätte, dann müsste er bestraft werden. Doch das Gesetz sagt auch, dass kein Gefolgsmann verpflichtet ist, ein Unrecht mitzutragen, das sein Herr begehen will, oder nichts dagegen zu unternehmen. Asgrim hätte Ardeija nicht gefangen nehmen dürfen. Und selbst wenn es anders wäre, hätte Asgrim kein Recht gehabt, einfach hinzugehen und Theodulf ohne Anklage fortzuschleppen, um sich zu rächen. Das darf niemand, nicht einmal ein König oder Fürst.« Er blickte in die beiden ernsten Kindergesichter und wünschte sich, das wäre alles gewesen, was er dazu zu sagen hatte, doch er wollte nicht lügen. »Allerdings ist es nicht so leicht, dem Gesetz einem Fürsten gegenüber zur Geltung zu verhelfen. Wie sollte man es durchsetzen, wenn er sich nicht beugen will? Nur weil einem einzelnen Mann Unrecht geschieht, wird niemand Krieg führen. – Wer hat dir gesagt, dass Asgrim im Recht wäre, Rambert? Leute vom Brandhorst, bevor du geflohen bist?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Nein. Herr Theodulf hat das gesagt. Hier in Aquae.«
»Das hat er nicht ernst gemeint«, sagte Asri von der Tür her und nickte Wulfila zu, ihr eine Teeschale mit der Mischung zu füllen, die er eben angerührt hatte. »Wenn man sich mit jemandem entzweit, den man so lange gekannt hat, wie er Asgrim kennt, redet man sich leicht ohne guten Grund ein schlechtes Gewissen ein. Asgrim ist nicht im Recht, und wenn Frau Herrad heute nichts erreicht, werden wir schon etwas unternehmen.«
Ob sie selbst daran glaubte, ließ ihr beherrschtes Gesicht nicht erkennen.
Ardeija, der mit seiner Mutter hereingekommen war, roch höchst misstrauisch an der Schale, die Wulfila ihm hinstellte, und nahm nur zögernd einen Schluck. »Was zum Teufel ist das?«
»Tee und Apfelwein und Branntwein. Hilft gegen alles, sagt mein Vater.«
»Es schmeckt nach Bocernae!«, sagte Ardeija und schob seinen Anteil missmutig Gjuki hin. Danach sprach er kein Wort mehr, bis die Richterin spät in der Nacht zurückkam, auf etwas steifen Beinen und mit dem Blick eines Menschen, der einen Kampf gerade eben überstanden hat und doch weiß, dass der Feind zurückkehren wird.
»Die Trollfrau singt«, verkündete sie zur Begrüßung, als wolle sie lieber noch nicht über das reden, was sie auf der Burg erlebt hatte. »Ist es ein gutes Vorzeichen, wenn die Trolle singen?«
Wulfila wusste, dass das nicht hätte wichtig sein sollen, zumindest nicht so wichtig wie der Ausgang ihres Gesprächs mit Justa, doch er lief zur Hintertür hinüber und öffnete sie wieder, um zu lauschen. Bis auf Wulfin kam niemand mit und so hörte vielleicht auch keiner sonst den eigenartigen, leisen Klang, der aus der
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