Tricontium (German Edition)
der Justinuskirche und einem kleinen Bachlauf lag, war ohne Ortskenntnis nur sehr schwer zu finden. Er selbst war dafür heute umso leichter zu entdecken, da er am Bach mit einem sehr vollen Korb Wäsche beschäftigt war und zugleich seine jüngste Tochter davon abzuhalten versuchte, sich nasse Füße zu holen.
Die Unterbrechung schien ihm dennoch nicht sehr willkommen zu sein. »Was will die Richterin?«, fragte er mit leidgeprüfter Miene über ein Bettlaken hinweg, das aussah, als sei es in letzter Zeit nicht sehr pfleglich behandelt worden.
»Nichts, soweit ich weiß«, sagte Ardeija. »Aber ich benötige selbst deine Hilfe.«
»Oh.« Otter ließ sein Laken auf die Steine am Bach sinken und wirkte noch weit weniger erfreut als zuvor. »Ist es wegen deines Vaters? Die Sache tut mir sehr leid für dich, aber …«
»Du sollst mir nicht helfen, einen Gefangenen zu befreien, falls es das ist, wovor du Angst hast«, unterbrach Ardeija ihn unwillig. »Dass das keine Aussicht auf Erfolg hätte, weiß ich selbst.«
Vielleicht war seine Antwort zu harsch gewesen. Otters kleines Mädchen, das sich bis jetzt nicht weiter für das Gespräch interessiert hatte, sah jedenfalls beunruhigt von seinem Spiel mit ein paar flachen Kieseln auf und Otter selbst zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe nicht gesagt, dass ich dir nicht helfen will. Was kann ich tun?«
»Etwas herausfinden. Ich will wissen, was Asgrims Krieger über die ganze Sache denken.«
»Was sollen sie schon denken, wenn sie ihm geholfen haben, deinen Vater gefangen zu nehmen?«
Ardeija lächelte leicht; für Otter, der sein Leben lang nach Aquae gehört hatte, waren die Abläufe am Hof eines Fürsten wohl nicht so durchschaubar wie für jemanden, der in Sala aufgewachsen war. Auf dem Brandhorst ging es gewiss nicht so viel anders zu als in Gudhelms Gefolge. »Man stellt sich nicht gern als erster gegen den Befehl seines Fürsten … Es ist immer angenehmer, wenn ein anderer zuerst den Mund aufmacht. Aber ich glaube nicht, dass es sie ganz unberührt lässt, wenn Asgrim mit einem Mann, der dreißig Jahre lang der erste unter seinen Kriegern war, so umgeht. Sie müssen sich doch fragen, ob es ihnen nicht aus einem ähnlich belanglosen Grund bald genauso ergehen könnte.«
Sehr überzeugend klang er wohl nicht, denn Otter hielt weiter dagegen. »Wenn man jemanden nicht leiden kann, stellt man selten solche Überlegungen an. Vielleicht denken sie, dass es ihm nur recht geschieht.«
»Ein oder zwei werden sich schon Gedanken machen«, sagte Ardeija hartnäckig, »selbst in Asgrims Umgebung muss schließlich irgendjemand ein gutes Herz haben. Du wirst schon genug aus ihren Gesprächen heraushören, und wenn du einen Weg findest, ihre Zweifel zu nähren, umso besser!«
Otter sah auf sein Laken hinab. »Das wird schwierig. Ich bin für sie ein Fremder und kenne auch die Leute der Königsbotin nicht. Unter Adalhards Kriegern gab es einige, die mir hätten helfen können, aber in letzter Zeit ist dort auf der Burg ja nichts mehr von Dauer! Kaum habe ich mich mit Getas Gefolge angefreundet, ist das schon nichts mehr wert …«
»Du kannst aber doch wohl herausfinden, was sie von mir halten? Es macht einen Unterschied, ob sie mich am liebsten tot sehen wollen oder mich als einen Feind ansehen, den man in gewissem Maße achten kann.«
»Nach dem, was du dir in den ›Himmlischen Rosen‹ geleistet hast, würde ich mir keine großen Hoffnungen machen, dass sie noch auf dich hören, wenn du sie beschwatzen willst, ihrerseits ihrem Fürsten gut zuzureden.«
»Das lass meine Sorge sein. Tu einfach nur, worum ich dich bitte. Ich zahle dir auch deinen üblichen Preis.«
Otter schien dieses Angebot einen Augenblick lang ernsthaft in Erwägung zu ziehen, doch dann winkte er ab. »Lass nur. Ich kann es ja versuchen … Aber nicht heute. Die Wäsche muss fertigwerden.«
Die Einschränkung kam Ardeija nicht gelegen, doch da Asgrim wohl kaum abreisen würde, bevor Justa eine Antwort von Otachar erhalten hatte, begnügte er sich mit einem Nicken und hoffte das Beste.
Er hatte eigentlich angenommen, nun für heute die schwierigsten Gespräche hinter sich zu haben; damit, dass Frau Herrad ihn mit versteinerter Miene in die Kanzlei zitieren würde, sobald er einen Fuß über die Schwelle des Praetoriums gesetzt hatte, hatte er nicht gerechnet.
Sie bot ihm keinen Platz an, ließ sich aber selbst in ihrem Faltstuhl nieder, als gelte es, Gericht zu halten, und musterte ihn
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