Tricontium (German Edition)
Schultern. »Gut, Wulfila hat ihn dumm dastehen lassen, aber das ist noch etwas anderes, als wenn einen der eigene Schwertmeister öffentlich bezichtigt, Mord und Brandstiftung zu planen … Nun, der ehemalige Schwertmeister, aber Ihr wisst, was ich meine.«
»Ohne jede Frage.« Herrad lächelte müde. »Aber vielleicht wäre Euer Vater gar nicht erst in seine jetzige unersprießliche Lage geraten, wenn er einfach schon während Eurer Gefangenschaft zu Asgrim gegangen wäre und ›Das ist mein Sohn, lasst ihn besser in Ruhe‹ gesagt hätte.«
Ardeija hob die Schultern, doch er widersprach nicht. Frau Herrad hatte nicht Unrecht, aber anders als sie ahnte er, warum Theodulf damals nicht mit Asgrim gesprochen hatte. Er hatte Ardeija davor bewahren wollen, in Asgrims geplanten Verrat mit hineingezogen zu werden, und hatte wahrscheinlich genau gewusst, dass sein Fürst vom Sohn seines Schwertmeisters die Hilfe, die er ohnehin hatte erpressen wollen, nur umso sicherer verlangen würde. Vielleicht hatte Theodulf außerdem im Stillen gehofft, sich nicht öffentlich zu seinem Kind bekennen zu müssen, doch Ardeija wollte gar nicht zu genau wissen, ob auch diese Überlegung eine Rolle gespielt hatte, und schob den Gedanken weit fort.
»Das lässt sich nun nicht mehr ändern«, sagte er nur, »aber wenn Ihr meint, dass Ehrlichkeit uns etwas nützen könnte, ist wohl auch das falsch, was ich noch in die Wege geleitet habe.«
Da er annahm, dass der Richterin dieser Teil seiner morgendlichen Unternehmungen weniger missfallen würde als sein Gespräch mit Justa, erzählte er ihr von Otter und der vagen Hoffnung, Asgrims eigene Leute gegen ihn ausspielen zu können.
Herrad winkte schon ab, bevor er auch nur die Hälfte seines Vorhabens genauer erläutert hatte. »Das wird keinen Erfolg haben.«
»Vielleicht doch«, beharrte Ardeija. »Gut, Ihr würdet Euch nicht umstimmen lassen, selbst wenn Euer gesamter Haushalt Euch ins Gewissen reden würde, aber wer sagt, dass Asgrim sich nicht besinnt, wenn seine Krieger ihren Unmut äußern?«
»Warum sollten sie das tun?« Herrad legte den Kopf schief und sah ihn abwartend an.
Die Frage war offensichtlich nicht so rhetorisch gemeint, wie sie zunächst geklungen hatte, und so versuchte Ardeija, ihr alles darzulegen, wie er es schon für Otter getan hatte. Doch die Richterin war genauso wenig zu überzeugen wie ihr Spion, wenn auch vielleicht aus anderen Gründen. Sie ließ Ardeija zwar ausreden, doch als er geendet hatte, stand sie auf und ging zum Fenster, um mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf die Bischofsgärten hinunterzusehen.
»Ich will nicht grausam sein und Euch Eure letzte Hoffnung rauben, Herr Ardeija, doch ich bin so gut wie überzeugt, dass Asgrims Krieger sich nicht einmischen werden. Ich bin die Erste, die Euch liebend gern zustimmen wird, dass er kein angenehmer Mensch ist und die meiste Zeit über ein Verhalten an den Tag legt, das ich ablehne. Doch zugleich sorgt er auf seine verquere Art durchaus für die Seinen und hält zu ihnen, solange sie zu ihm halten. Denkt an das, was nach dem Krieg geschehen ist. Bis auf einige Herren von minderer Bedeutung, die damit durchgekommen sind, weil sie eben kleine Fische waren, war Asgrim der Einzige, der sich standhaft geweigert hat, die von der Krone verhängte Strafe hinzunehmen und seine Leute auszuliefern. Dass er nur mit unrechten Mitteln ausreichende Bestechungsgelder zusammenbekommen hat, weiß ich so gut wie Ihr, aber er hat sich ins Zeug gelegt. Daran, dass sie ihm so viel wert waren, dürften sich seine Krieger sehr gut erinnern.« Endlich unterbrach sie ihre Betrachtung der kahlen Bäume und wandte sich wieder zu ihm um. »Versteht mich nicht falsch. Sie mögen Theodulf durchaus bedauern und vielleicht für seinen Wunsch, seinem Sohn zu helfen, Verständnis haben, aber sie haben ihn auch sagen hören, dass er sich gegen seinen Fürsten gewandt hat, der ihn seinerseits nicht hat fallen lassen, als es leicht gewesen wäre, genau das zu tun. In ihren Augen verdient er gewiss das, was er gerade bekommt.« Sie griff nach ihrem Umhang, der noch über dem Stuhl lag. »Ihr könnt mir zu Recht vorwerfen, dass ich mich hätte kürzer fassen sollen, denn im Grunde läuft es doch nur auf eines heraus: Man kann etwas sehr wohl als gerecht und notwendig empfinden, ohne sich darüber zu freuen. Das denke ich täglich und spätestens alle drei Wochen, an jedem Gerichtstag, denkt Ihr es auch, wenn ich mich nicht sehr in
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