Tricontium (German Edition)
kühl. Ardeija begrub stillschweigend seine langjährige Überzeugung, dass es vor allem die dunklen Roben waren, die Herrad halfen, sich in das Gesetz des Königs zu verwandeln. Obwohl sie heute ein weich fallendes Kleid mit einem gefälligen Rankenmuster am Kragen trug und ihr Haar nur lose zurückgeflochten hatte, wirkte sie mehr denn je wie eine strenge Richterin. Wulfila war nirgends zu sehen; das war ein weiteres schlechtes Zeichen.
»Ihr seid mir die meiste Zeit über ein guter Hauptmann gewesen und ich konnte über Eure Dienste nicht klagen«, begann Herrad endlich nach langem Schweigen, »aber wenn ich Euch für das, was Ihr heute getan habt, nicht davonjagen soll, müsst Ihr mir sehr gute Gründe nennen.«
Dass sie über seine Verspätung nicht erfreut sein würde, hatte Ardeija vorausgeahnt, nicht aber, dass es so schlimm werden würde.
»Es hat alles etwas länger gedauert«, sagte er und fragte sich, wie der einfache Ausflug zu Otter nur zu so viel Ärger hatte führen können, »aber nachdem ich meinen Vater besucht hatte, wollte ich gern …«
Herrad ließ ihn nicht ausreden. »Das ist nicht von Belang. Wenn Ihr Euch verspätet, genügt mir eine Entschuldigung. Doch für andere Dinge gibt es keine, dafür etwa, dass Ihr allen Ernstes hingegangen seid und Euch Justa angeboten habt wie ein billiger Lustknabe! Ich habe für vieles Verständnis, aber dafür nicht. Es war kein Vergnügen, ahnungslos zur Burg bestellt zu werden und mich fragen lassen zu müssen, ob ich außer Dieben und Huren vielleicht auch noch ehrbare Leute in meinen Diensten hätte. Justa hat mich sehr deutlich daran erinnert, dass nichts sie zwingt, mich in diesem Amt hier zu bestätigen, wenn sie ihre Übernahme der Vogtei erst öffentlich gemacht hat – deutlicher, als ich es von einer Freundin je zu hören erwartet hätte.«
Sie hatte mit Nachdruck, aber ruhig gesprochen. Dies war kein hastiger Zornesausbruch, sondern ein wohl erwogener Tadel, vielleicht gar eine ebenso wohl erwogene Entlassung.
Ardeija senkte den Kopf; er wusste gut genug, dass jede Erklärung für das, was am Morgen durchaus noch Sinn ergeben hatte, nun, da es nicht gut gegangen war, erbärmlich klingen würde. »Es tut mir leid. Ich war dumm. Wir … kennen einander, Justa und ich, und ich dachte …«
Was hatte er gedacht? Dass Justa die drei Nächte auf Sala in so angenehmer Erinnerung hatte, dass damit etwas zu erkaufen sein würde? So ausgedrückt klang es weit widerwärtiger als das, was er sich vor seinem Treffen mit der Königsbotin überlegt hatte, und er konnte und wollte es vor Herrad nicht aussprechen.
Die Richterin schien endlich zu begreifen, dass sie keine über diese Andeutung hinausgehende Erklärung bekommen würde. »Musstet Ihr mir das gerade heute antun, einen Tag, nachdem ich mich bei dem Versuch zum Narren gemacht habe, einem Mann zu helfen, der uns allen den Gefallen hätte tun sollen, sich Asgrim gleich freiwillig zu stellen, statt uns derart schlecht aussehen zu lassen?«
Es wäre wohl feige gewesen, weiter den Boden zu betrachten; Ardeija schaute auf. »Er hat Angst, dass Asgrim uns allen etwas antun könnte; sonst hätte er anders gehandelt und sich gern helfen lassen.«
»Sagt er das?«
»Das sagt er.«
»Ist Eurem Vater nicht wenigstens aufgefallen, dass der beste Weg, Asgrim die Hände zu binden, darin bestanden hätte, laut und deutlich seine Befürchtungen auszusprechen, als er vor Justa Gelegenheit dazu hatte?« Sehr zufrieden klang Herrad immer noch nicht, aber sie schien nun milder gestimmt zu sein.
Ardeija ertappte sich dabei, unruhig an seiner Mantelspange herumzuspielen, und ließ die Hand rasch sinken. »Glaubt Ihr, dass Asgrim sich davon hätte aufhalten lassen? Er hat schließlich auch meinen Vater eigenhändig aus dem Haus meiner Mutter entführt und versucht, vor Euren Augen eine Kriegskasse zu stehlen. Wahrscheinlich ist es ihm ganz recht, wenn alle Welt weiß, dass man seine Rache fürchten muss.«
Die Richterin sann eine Weile darüber nach. »Vielleicht. Doch in den Fällen, die Ihr aufzählt, waren Asgrims Taten weder angekündigt noch erwartet. Es würde weitaus mehr Dreistigkeit erfordern, hinzugehen und jemanden zu erschlagen, wenn alle Welt schon damit rechnet. Überdies scheint er trotz aller Schliche, die er selbst gern anwendet, der Offenheit anderer eine gewisse Bewunderung zu zollen, sonst hätte er sich das, was Wulfila neulich getan hat, wohl kaum bieten lassen.«
Ardeija hob die
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