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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Marderschwänze an der Mütze trug.«
    »Das war Tengri Khatun?«
    »Das war Tengri Khatun. Sie glaubte, in den paar Flüchtlingen eine leichte Beute vor sich zu haben, und zuerst sah es auch sehr gut für die Barsakhanen aus, obwohl meine Mutter viel besser mit dem Schwert umgehen konnte als ich. Die Barsakhanen waren nämlich hervorragende Bogenschützen und bald waren nur noch meine Mutter, ihre Schreiberin und zwei ihrer Krieger übrig. Als es so weit gekommen war, nahm Tengri ihr Krummschwert und wollte sich selbst auf meine Mutter stürzen, denn bei den Barsakhanen kann ein Anführer nur dann höchsten Kriegsruhm erringen, wenn er die Befehlshaber der Feinde im Einzelkampf bezwingt; gelingt ihm das nicht, so ist sein Sieg nur ein halber Sieg. Doch just in diesem Augenblick flog hinter meiner Mutter ein Rotkehlchen auf. Da ließ Tengri Khatun den Kampf abbrechen, denn das Rotkehlchen war ihrem Stamm heilig und sie nahm an, ein Rotkehlchengeist habe meine Mutter und ihre verbliebenen Leute unter seinen Schutz gestellt. Und mit Rotkehlchengeistern stellt man sich wohl besser gut! Sie ließ meiner Mutter also sagen, dass sie lieber mit ihr sprechen wollte, als weiter zu kämpfen.«
    Wulfin zupfte an dem Haarband herum, das sein Vater zu gut verknotet hatte, als dass es sich mit einem Griff hätte entfernen lassen. »Konnte sie denn unsere Sprache?«
    »Gut aufgepasst! Nein, aber sie hatte einen Mann bei sich, der in seiner Jugend aus dem Reich verbannt worden war und den es in der Folge zu den Barsakhanen verschlagen hatte. Er konnte übersetzen und durch ihn sagte Tengri meiner Mutter: ›Du bist kühn und tapfer und das Rotkehlchen ist dir wohlgesonnen. Ich meine, dass es unklug wäre, weiter gegen dich zu kämpfen.‹ Wenn der Mann, der das Reden übernahm, nicht einige rasche Erläuterungen beigefügt hätte, hätte das meine Mutter wohl nicht überzeugt, aber so …«
    Weiter kam Herrad nicht; nach einem kurzen Klopfen an der Tür steckte Wulfila den Kopf ins Zimmer. »Was für ein Ärger!«, sagte er ohne rechte Begrüßung, setzte sich neben Wulfin und unterbrach dessen Anstrengungen, seinen Zopf aufzulösen. »Ich habe mein Bestes getan, aber ich will nicht beschwören, dass Ardeija nichts Dummes anstellen wird.«
    Herrad beschloss, dass der Rest der Geschichte würde warten müssen. »Klang er so, als ob er etwas vorhätte?«
    Wulfila zuckte die Schultern. »Gesagt hat er weiter nichts, aber anders als Asri oder selbst Rambert sieht er nicht ein, dass man gegen Theodulfs erklärten Willen schlecht etwas unternehmen kann.«
    Herrad lächelte müde. »Würdest du es denn an seiner Stelle einsehen?«
    Der lange Blick, der sie daraufhin aus einem grauen Auge traf, war sehr gekränkt. »Mein Vater ist zwar gelegentlich unvernünftig, aber so schlimm ist es mit ihm noch nicht. Außerdem würde ich es ihm wahrscheinlich sehr übelnehmen, wenn er sich dafür, mich befreit zu haben, auch nur im Geringsten schuldig fühlen würde. Vielleicht nicht übel genug, gar nichts zu unternehmen, aber doch so sehr, dass ich ihn einige Tage in seinem selbstgewählten Elend schmoren lassen würde.«
    »Er hätte aber bestimmt kein schlechtes Gewissen«, sagte Wulfin überzeugt.
    Wulfila nickte. »Deshalb stellt sich die Frage auch nicht«, schloss er mit einem kleinen Lächeln, um dann wieder zu Herrad hochzusehen. »Aber was Ardeija angeht … Ich weiß nicht, was daraus noch wird.«

42. Kapitel: Theodulf
    »Du hättest nicht kommen sollen«, sagte Theodulf.
    Angesichts der guten Stunde, die es ihn gekostet hatte, überhaupt bis zu seinem Vater vorzudringen, fand Ardeija diese Begrüßung reichlich schäbig.
    »Es gibt auch einiges, was du nicht hättest tun sollen«, gab er ärgerlich zurück. Als Theodulf nichts darauf erwiderte, taten ihm seine harten Worte fast leid.
    Wenigstens hatte man den Gefangenen nicht in die Verliese unter der Burg gesteckt, in denen noch immer die ruhelosen Geister der Gladiatoren umgehen sollten, die einst im Amphitheater von Aquae gestorben waren. Das Zimmer, dessen Außenwand aus einer alten römischen Mauer bestand, war eng, aber sauber und hätte für einen Schwertmeister, der mit seinem Herrn für einige Tage zu Besuch in Aquae weilte, gerade eben hinreichen können. Es gab ein Bett, auf dessen Kante Theodulf nun saß, und ein Fenster, aus dem man nach Nordosten blickte, weit über die Stadt hin bis zu den Hügelgräbern und den Wäldern, hinter denen außer Sichtweite der Brandhorst

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