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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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gewiss nicht den Willen des Königs taten, gelenkt und so Bedenkzeit gewonnen, bevor sie sich äußerte, aber Wulfin mochte es ganz offensichtlich nicht, wenn man sich unklar oder verhüllt ausdrückte.
    »Er meint, ob Ihr meinen Großvater zurück nach Mons Arbuini schicken wollt«, erläuterte er, als wolle er sichergehen, dass Herrad auch verstand, welche Entscheidung sie nun zu treffen hatte.
    Wulf hatte die rechte Hand auf Wulfilas Schulter, die linke auf Wulfins dichte Locken gelegt. »Ich glaube kaum, dass einer von euch Frau Herrad an ihre Pflichten erinnern muss«, sagte er in einem Tonfall, als handele es sich nicht nur bei einem der beiden um ein vorwitziges Kind. »Sie wird uns früher oder später schon mitteilen, zu welchem Schluss sie gelangt ist.«
    Wieder waren fünf Augen abwartend auf Herrad gerichtet, doch sie nahm nur die Wulfins recht eigentlich wahr. Er war zu klein, als dass Mons Arbuini für ihn mehr als ein beliebiger Ortsname hätte sein dürfen, viel zu klein, als dass er sich hätte verpflichtet fühlen sollen, mit ihr über das Wohl und Wehe eines Angehörigen zu verhandeln – doch er war eigentlich auch zu klein, Asgrims Verlies besser als allenfalls vom Hörensagen zu kennen.
     »Es ist gut«, begann sie schließlich langsam. »Herr Wulfila hat mir eine höchst philosophische Frage vorgelegt, über die ich eine Weile werde nachsinnen müssen, aber lasst mich mit Wulfin reden. Ich denke, wir werden uns schon verstehen. – Kurz und gut, du fragst, ob ich deinen Großvater festnehmen werde.«
    Wulfin nickte knapp, doch zugleich stand in seinem Gesicht weiterhin das, was Herrad eben schon zu erkennen geglaubt hatte und worin sie sich trotz der etwa dreißig Jahre, die sie trennten, wiederfand, jene halb verzweifelte Ernsthaftigkeit, die aus dem Bedürfnis geboren war, für voll genommen zu werden, und die man sich leicht aneignete, wenn man sich die meiste Zeit als einziges Kind unter Erwachsenen befand, die einen ja doch spüren ließen, dass man nur dies, ein Kind, war. Sie konnte sich nur zu gut an das Gefühl erinnern, das an schlechteren Tagen damit einherging. Wäre sie an Wulfins Stelle gewesen, hätte sie nun nicht die Beschönigungen und Ausreden hören wollen, mit denen man stets abgespeist wurde, wenn man die Wahrheit angeblich noch nicht verstand.
     »Darum, ob ich es will , geht es leider nicht«, fuhr sie deshalb ehrlich fort, »sondern allein darum, ob ich als Richterin gehalten bin, etwas zu unternehmen. Ob dem so ist, werde ich entscheiden, wenn ich deinen Großvater und deinen Vater – auch dich, falls du denn etwas darüber weißt – zu der Sache ausführlicher befragt habe, als ich es bis jetzt tun konnte. Wie du gesehen hast, ist erst Herrn Helmolds fehlendes Schwert und dann Herrn Otachars unerwartete Anwesenheit dazwischengekommen, aber wir können gleich beginnen. Wenn sich dabei herausstellt, dass dein Großvater Mons Arbuini nicht hätte verlassen dürfen, werde ich ihn dorthin zurückschicken müssen. Doch glücklich wäre ich darüber nicht.«
    Noch weniger glücklich war sie allerdings darüber, dass sie nicht wusste, ob sie auch dazu kommen würde, ihren Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Wenn man sich ihren Anordnungen gewaltsam widersetzte, würde sie nicht viel erreichen, vor allem, da sie nicht wusste, auf wessen Seite sich ihre verbliebenen Krieger schlagen würden. Auf Maurus konnte sie sich hier nicht verlassen und sein Wort galt bei Wigbold und Adela viel; mit nur zwei Knechten und einem wankelmütigen Drachen im Rücken würde sie gegen fünf ausgebildete Kämpfer wenig ausrichten können.
    Zu dieser Erkenntnis schien Wulfin noch nicht gelangt zu sein. »Aber was, wenn es nicht gerecht war, dass man ihn überhaupt nach Mons Arbuini gebracht hat?« entgegnete er.
    Herrad unterdrückte mit Mühe ein Lächeln und die Bemerkung, dass er sich ernsthaft überlegen solle, ob es ihm nicht in ferner Zukunft einmal gefallen könne, bei einem berühmten Magister die Rechte zu studieren. »Ein Urteil, das einem ungerecht erscheint, muss gleich angefochten werden, nicht nach vielen Jahren. Wenn dennoch später aus triftigem Grund Zweifel aufkommen, müssen Nachforschungen angestellt werden, und das kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Gelegentlich aber entspricht ein Urteil auch dann Recht und Gesetz, wenn man es selbst als ungerecht empfindet. Damit muss man sich dann abfinden, so schwer es einem auch fallen mag.«
    Fast fürchtete sie, doch zu hart

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