Tricontium (German Edition)
gewesen zu sein, denn noch während sie gesprochen hatte, war Wulfin wie verängstigt zurückgewichen, bis er gegen seinen Großvater gestoßen war. Als sie schon halb dazu ansetzen wollte, das Gesagte so gut sie es vermochte abzumildern, schoss etwas gleich einem grünen Pfeil an ihr vorüber und verschwand mit einem Satz in Helmolds Sarkophag. Nur ein klägliches Schnarren und Pfeifen, das gleich darauf daraus hervordrang, verriet ihr, dass die Erscheinung Gjuki gewesen sein musste. Was auch immer ihn so erschreckt hatte, war fürchterlich genug, auch zwei ehemalige Krieger zu ängstigen; Wulf war blass geworden und Wulfila wirkte, als hielte ihn nur Herrads Gegenwart davon ab, es seinem Sohn gleichzutun, der schutzsuchend Wulfs Hand ergriffen hatte. Die Richterin wandte sich um und war für einen Moment überzeugt, dass nun der Teufel gekommen sei, um sie alle dafür zu holen, dass sie in fremden Gräbern herumgestochert hatten.
Auf der Treppe, die in die Krypta herabführte, stand mit drohend erhobenen Armen ein Wesen, wie sie es noch nie gesehen hatte, mindestens so unheimlich wie die dunkle Gestalt, als die Wulf sie hier unten empfangen hatte, doch unwirklicher und mit Augen, die wie Kohlen glühten und sich gegen die völlige Schwärze des starren Gesichts, in dem sie saßen, böse abhoben. Das hohle Lachen, das ertönte, ohne dass sich der Mund des Höllengeschöpfs geöffnet hätte, klang schauerlich, und der eisige Windhauch, der durch die Gruft strich, als der ungebetene Gast die Hände langsam senkte, vertrieb die letzte Hoffnung, dass es eine harmlose Erklärung für diesen Spuk geben könnte. In seinem Versteck wimmerte Gjuki, und Herrad fühlte sich selbst auf schwachen Beinen gegen Severas Steinsarg zurücktaumeln, während ihr ein sehr kleinlautes »Miserere mei, Domine!« über die Lippen kam.
Nur ein Teil ihres Verstandes – der kalte, unbotmäßige, in dem sie vorhin noch Herrn Geta eben dem Teufel, der sie nun selbst gleich packen würde, überantwortet hatte – weigerte sich, etwas mit der erbarmenswerten Frau, die in ihrem Entsetzen nur noch zu beten wusste, zu tun zu haben, und gab ihr stattdessen ein, dass eine Anrufung Gottes dann, wenn er einem schon den Teufel geschickt hatte, wohl vergebens war. Wenn man schon dem Tode und der Hölle verfallen war, hatte man nichts mehr zu verlieren und konnte genau so von der Bühne der Welt abtreten, wie es einem gefiel. So zwang sie folglich eine Hand, die mehr zitterte, als es ihr lieb war, hinab in den Sarkophag, mitten unter die Knochen hinein, und warf, noch bevor sie selbst recht begriffen hatte, was sie tat, den schweren Kelch, den man Severa beigegeben hatte, dem Teufel an den Kopf.
Wulfila hatte Recht gehabt, als er sie vorhin davor gewarnt hatte, auch nur einen Kieselstein zu werfen, doch vergaß sie den Schmerz fast über ihr Hochgefühl ob der Erkenntnis, dass der Teufel kein Teufel war, auch kein Geist oder Dämon, sondern nichts als ein irdisches Geschöpf, das nun getroffen aufstöhnte und schwankte, ein Ungeheuer zwar vielleicht, doch eines, das man mit gewöhnlichen Mitteln bekämpfen konnte – und eine weitere Aufforderung, etwas zu unternehmen, benötigten die wackeren Krieger, die so höflich gewesen waren, ihr den Vortritt im Kampf zu lassen, erfreulicherweise nicht. Das Handgemenge war kurz genug, und die geschnitzte Maske mit den glitzernden Augen war, einmal zu Boden geworfen, ebenso wenig erschreckend wie der besiegte Eindringling, der sich alsbald niedergerungen und recht verlegen vor Herrads Füße geschleift fand.
»Da, seht«, sagte Wulfila, »Ihr habt einen prächtigen Zauberer erlegt. Sein Bart wird eine schöne Trophäe abgeben.«
Herrad war nach der ausgestandenen Angst wahrhaftig in der passenden Stimmung, Bärte oder noch ganz anderes abzuschneiden.
»Das sehe ich«, sagte sie kühl und hoffte, dass sie nun ihrerseits ihrem Gefangenen so eindrucksvoll wie eine leibhaftige Teufelin erscheinen würde. »Was habt Ihr Euch nur gedacht? Wenn das hier die Rache für Eure Verurteilung wegen des Verkaufs wirkungsloser Liebestränke gewesen sein sollte, könnt Ihr Euch auf etwas gefasst machen, Herr Malegis!«
7. Kapitel: Ein unfehlbares Mittel
Zweieinhalb Stunden später wünschte Herrad sich fast, sie hätte Wulfs freundliches Angebot, den Zauberer noch in der Krypta mit »unfehlbaren Mitteln« zum Reden zu bringen, nicht so entschieden abgelehnt. Sie konnte Malegis nichts nachweisen, solange sich in der
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