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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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den rechten Zeitpunkt gekommen, nun doch einzugreifen. »Das ist eine lange Geschichte, Frau Herrad, und wenngleich Ihr darin einen kleinen Auftritt zwischen dem ersten und dem zweiten Kapitel habt und daraus vielleicht einen Anspruch darauf herleiten könnt, mehr zu erfahren, würde es uns nun zu sehr aufhalten, wenn wir Euch alles erzählen wollten.«
    »Wer drängt uns denn?«, fragte die Richterin. »Ihr schuldet mir einige Erklärungen. Erst holt Ihr mich mit einer Geschichte über Gold und verhinderten Grabraub vom Dach, dann befindet sich in der Gruft hier Euer Vater, von dessen Anwesenheit Ihr nichts gewusst haben wollt und der überdies weder auf freiem Fuß noch hier sein sollte, und dann …«
    Wulfins Stimme unterbrach sie. »Da fehlt ein Schwert.«
    Keiner der drei Erwachsenen hatte zuletzt noch sonderlich auf Wulfin geachtet, der sich die Zeit damit vertrieben hatte, sich am Rand der Sarkophage hochzuziehen und auf Zehenspitzen erst das Gerippe Frau Severas und dann das ihres Ehemanns, der außergewöhnlich schlechte Zähne gehabt haben musste, zu begutachten.
    Nun deutete er auf die Knochen des alten Markgrafen und fuhr mit einiger Enttäuschung fort: »Seine Frau hatte auch kein Schwert … Aber er hat doch einen Schwertgürtel. Da sollte ein Schwert sein.«
    Herrad hielt sich gerade noch davon ab, ihm zu raten, er sollte seinen Vater oder seinen Großvater fragen, was wohl aus dem Schwert geworden sei. Stattdessen trat sie selbst an den Steinsarg heran und betrachtete den armen Helmold, der von seinen reichen Beigaben, bei deren Beschreibung Wulfila wahrlich nicht übertrieben hatte, doch nichts mehr hatte.
    »Ja«, sagte sie dann, »einen Schwertgürtel hat er … Und noch dazu einen, dessen Leder außerordentlich gut erhalten ist.«
    Zur Sicherheit schlug sie ein Kreuz, bevor sie sich vorbeugte, um den Gürtel anzufassen. Sie hatte sich nicht getäuscht. Unter den Beschlägen aus vergoldetem Kupferblech, die mit Darstellungen der heiligen drei Könige und eines Engels verziert waren, war das Leder so weich und geschmeidig, als hätte es jemand eben erst abgelegt. »Lange liegt das hier noch nicht … Nicht seit Otachars Zeit.«
    »Will sagen, jemand bricht die Gräber auf, nimmt aber nichts mit, sondern legt mindestens einen Gürtel hinein?« Wulfila hatte sich neben ihr über den Sarkophag gebeugt. »Das ist noch merkwürdiger, als ich zuerst dachte. Was meint Ihr, gehen reuige Plünderer um und machen ihre Taten wieder gut?«
    Die Richterin hatte den Gürtel ganz herausgehoben und hielt ihn nun ans Licht. »Geht Ihr umher und verschenkt Kürbisse und Hühner, wenn Euch gerade einmal die Reue überfällt, oder wie kommt Ihr zu der Frage? Nun seht … Altehrwürdig sind selbst die Verzierungen keineswegs. Hier, am letzten Blech, ist die Marke eines Goldschmieds aus Aquae, ich kenne den Mann.«
    »Gehört Ihr zu seinen Kunden?« Wulfila hatte das lose herunterhängende Ende des Gürtels ergriffen und betastete die kleinen Haken, die eine Schwertscheide hätten tragen sollen.
    Herrad hätte beinahe gelacht. »Nein. Man hat ihn schon mehrfach vor mir angeklagt, für kleine Betrügereien, und immer wieder war ihm nichts sicher nachzuweisen, obwohl er sich verdächtig verhalten hat. Irgendwann bekomme ich ihn noch, das kann ich Euch sagen!«
    »Der arme Kerl«, sagte Wulfila und ließ das goldglänzende Band, das sie so kurz gemeinsam gehalten hatten, wieder los.
    Sein Vater schien seine Besorgnis um den unehrlichen Goldschmied nicht zu teilen. »Der wird sich von jeder Strafe freikaufen«, sagte er und hob den edelsteinbesetzten Kelch, den er inzwischen aus Frau Severas Sarg genommen hatte, so hoch, als wollte er Herrad und seinem Sohn spöttisch zutrinken. »Wenn Ihr von Richolf sprecht, dann hat er für die Ausstattung der Gräber gewiss vor einiger Zeit einen fürstlichen Lohn eingestrichen – die hübsche Kleinigkeit hier hat er jedenfalls auch hergestellt. War er damals, als Otachar die Sarkophage erneuern ließ, überhaupt schon Meister?«
    »Ich weiß es nicht, doch das wird sich finden.« Herrad nahm ihm das fein gearbeitete Gefäß aus der Hand und prüfte die Marke, doch Wulf hatte sich nicht getäuscht; Richolfs drei Weinblätter waren auch hier deutlich zu erkennen.
    Wulfila war damit befasst, die übrigen Gegenstände in Helmolds Grab zu begutachten. »Selbst wenn er Meister war, hätte Herr Otachar kaum bei ihm arbeiten lassen … Sehr berühmt ist er nicht, und gewiss nicht gut

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