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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Ernstes geglaubt, dass er Jahre, vielleicht gar ein ganzes Leben, in Corvisium würde zubringen können. Zwar hatte er einen Rest von Furcht, dass jemand das Brandmal bemerken würde, nicht verdrängen können, doch hatte er in Gedanken den Zeitpunkt dieser unvermeidlichen Entdeckung in die ferne Zukunft verlegt, in der es Erstaunen, aber kein Entsetzen mehr auslösen würde, dass Herr Wulfila, gewiss bis dahin einer der ersten unter Ebbos Kriegern, wenn nicht gar sein Schwertmeister, in jungen Jahren einmal eine Dummheit begangen hatte.
    Stattdessen hatte es nur einige Wochen gedauert, bis die Sache herausgekommen war, und er war noch nicht einmal selbst daran schuld gewesen.
    Er hatte noch nichts geahnt, als Ebbo ihn eines Abends hinauf in die Turmstube, die ihm als Schreibzimmer diente, hatte rufen lassen, doch dort war der Graf nicht allein gewesen. Er hatte mit Frau Herrads ehemaligem Schreiber – wie hieß der Mann, Guntram? – beim Feuer gesessen und in seinem Blick hatte nicht die gewohnte heitere Freundlichkeit gelegen.
    »Nehmt das da ab!«, hatte er ohne weitere Einleitung befohlen und auf den ledernen Armschutz gedeutet, der in der Tat einem Bogenschützen angemessener gewesen wäre als einem Schwertkämpfer. Die schöne Lügengeschichte, die Wulfila sich über die unscheinbare Lederstulpe ausgedacht hatte – irgendetwas über ein vor Jahren einmal übel verstauchtes Handgelenk –, hatte bisher nie jemand angezweifelt, doch die Anwesenheit des Schreibers mit seinem selbstzufriedenen Lächeln hatte ihm genug gesagt. Er hatte stumm die Verschnürung gelöst und auch noch den Hemdsärmel so weit hochgeschoben, dass man die lästige Narbe hatte sehen können. Das dankende Nicken des Grafen hatte gleichwohl nicht ihm, sondern dem verräterischen Schreiber gegolten, und als Ebbo Wulfila vorgeworfen hatte, das Brandmal nie erwähnt zu haben, hatte es geklungen, als habe er keine verständliche Unterlassung, sondern das widerwärtigste aller Verbrechen begangen.
    Dieser Tonfall war es auch gewesen, der Wulfila zu sehr verärgert hatte, als dass er sich hätte zwingen können, klug und in aller Demut um seine Entlassung zu bitten und Corvisium freiwillig auf dem schnellsten Wege zu verlassen.
    »Habt Ihr bis auf dieses eine Versäumnis an meinem Dienst je etwas auszusetzen gehabt?«
    Doch berechtigte Fragen waren wertlos, wenn jemand sie nicht hören wollte.
    »Ihr habt das Brandmal nie erwähnt«, hatte Ebbo wiederholt, »das hättet Ihr tun müssen; so aber habt Ihr mich betrogen.«
    »Mein Brandmal hindert mich nicht daran, ein Schwert sicher zu führen, und nur danach habt Ihr gefragt; inwiefern seid Ihr also betrogen worden?«
    Das war vorhersehbarerweise die falsche Antwort gewesen, doch in dem überheizten kleinen Raum, vor dem Grafen, der sich so gewiss im Recht glaubte, hatte er keine andere geben können.
    Es war kein Zeichen sonderlicher Großmut gewesen, dass Ebbo ihn für diese seine Frechheit hatte strafen lassen, und Wulfila hatte gut genug gespürt, dass es weniger um seine vorschnellen Worte gegangen war, als darum, die Schmach auszulöschen, dass ein hergelaufener Dieb einen mächtigen Herrn, einen Grafen des Königs, nötigenfalls mit drei Hieben entwaffnen konnte. Der fremde Krieger, den Ebbo in seine Dienste genommen hatte, hatte dafür Bewunderung verdient, nicht aber der Gebrandmarkte, und das Wissen, dass all seine Kunst mit einer Klinge stets viel weniger wiegen würde als ein Stück verbrannte Haut, das keine drei Finger breit war, hatte weit mehr geschmerzt als alle Schläge.
    Nun saß derselbe Ebbo, der es ihm verwehrt hatte, sich länger als für ein paar flüchtige Wochen über die Welt und seinen Platz darin zu belügen, vergnügt vor ihm und aß einen Apfel, als sei es einem bösen Menschen gestattet, etwas so Unschuldiges zu tun.
    Wenn Ebbo anderen kein gutes Leben gönnte, so wäre es doch gerecht gewesen, wenn ihm umgekehrt kleine Freuden versagt geblieben wären, aber was war schon gerecht? Verwünschungen konnten nichts ändern, und die Pfeile, die man ihm mitgegeben hatte, ließ Wulfila nicht nur aus dem Grunde unberührt, dass es namenlos dumm gewesen wäre, jetzt seine Anwesenheit zu verraten.
    Es blieb ihm nichts, als sich so leise, wie er gekommen war, zurückzuziehen und sich zu sagen, dass Zorn und undurchführbare Rachepläne ihm auch nicht helfen würden, die Fragen zu beantworten, die er sich stellte und die auch Frau Herrad mit gutem Recht stellen würde,

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