Tricontium (German Edition)
zunächst die, was Ebbo und die Barsakhanen überhaupt in die Tricontinische Mark führte, dann aber auch die, was aus Wigbold geworden sein mochte. So, wie es stand, ließ sich ohne weiteres keine Erklärung finden, und Herrn Ebbo konnte man wohl kaum darum bitten, zu erläutern, was sich abgespielt hatte.
Allerdings war es ein noch größerer Fehler, mit eben dieser Einschätzung den Bericht abzuschließen, den er der Richterin gab, nachdem er, durchgefroren und in der düsteren Befürchtung, dass er trotz eines wärmenden Drachen im Hemd mit einer Erkältung für sein Abenteuer bezahlen würde, wieder in Tricontium angekommen war. Herrad, die durch seine Rückkehr darin unterbrochen worden war, Wulfin fragwürdige Einzelheiten über den letzten römischen Statthalter von Aquae beizubringen, erwiderte nämlich nur: »Meint Ihr? Das glaube ich erst, wenn ich es versucht habe.«
Niemand aus ihrem Gefolge lächelte auch nur und selbst Malegis, der in der Zwischenzeit sein Pferd, in dessen Mähne sich womöglich noch mehr Amulette und Glöckchen befanden als in seinem Bart, herbeigeholt hatte, schien die Bemerkung nicht für einen verzweifelten Scherz zu halten. Er betrachtete die Richterin nur prüfend und begann nebenbei, mit einem Zipfel seines Mantels den kleinen Bronzespiegel, den er am Gürtel trug, blankzureiben.
Einzig Wulf schien zu begreifen, dass Wulfila seinerseits weder gescherzt noch übertrieben hatte.
»Hört, Frau Herrad«, sagte er, vielleicht ein wenig zu sanft, »mein Sohn hat Recht. Wenn dort oben tatsächlich Barsakhanen ihr Winterlager einrichten und Ebbo ruhig daneben sitzt, dann ist das nichts, was man anrühren sollte, wenn man nicht selbst über ein paar Dutzend Krieger verfügt. Ihr solltet nach Aquae gehen und dem Vogt mitteilen, dass Ihr Euer Amt hier unter diesen Bedingungen nicht antreten könnt.«
»Und Ihr solltet nicht glauben, dass ich so einfältig bin, daran nicht auch selbst gedacht zu haben«, erwiderte Herrad ruhig und zog einen reichlich krausen Schleier aus dem Ärmel, um ihn sich mit aller Sorgfalt übers Haar zu breiten. »Ich weiß, dass die Sache nicht gut gehen wird, doch zugleich bin ich, solange es keinen Markgrafen gibt, die einzige Amtsträgerin des Königs hier und damit ist es meine Pflicht, hinzugehen und Herrn Ebbo darauf aufmerksam zu machen, dass er sich in Fehde gegen den König befindet, wenn er in der Tricontinischen Mark Plünderungen zulässt oder gar befiehlt.«
»Darüber dürfte er sich im Klaren sein«, gab Wulfila zu bedenken, dem die Vorstellung ganz und gar nicht behagte, dass eine einsame Richterin hinzugehen und einen wahren Kriegszug als bloße Ordnungswidrigkeit zu behandeln gedachte. »Und zum Abziehen zwingen könnt Ihr ihn nicht. Jeder hätte Verständnis, wenn Ihr nach Aquae zurückkehren würdet.«
»Das denkt auch nur Ihr«, erwiderte Herrad unbewegt. »Gebraucht einmal Euren Verstand! Man schickt mich schlecht vorbereitet auf einen neuen Posten, ja, man belügt mich geradezu über den Zustand meines Gerichtsbezirks. Jemand meint es gar nicht gut mit mir, und falls dieser jemand nicht allein zu einer solchen Versetzung bereit ist, sondern auch zu förmlichen Anklagen, dann will ich nicht diejenige sein, die ihm einen Vorwand liefert.«
Sie klang entschlossen, und bis auf das behagliche Summen des Zauberers, der noch immer mit seinem Spiegel beschäftigt war und dem Gespräch nicht mehr zu folgen schien, herrschte einen Augenblick lang Stille, bis endlich Wulfin fragte: »Was tun sie denn mit Euch, wenn Ihr nicht mit Herrn Ebbo redet? Er ist ein böser Mann.«
Die Frage hatte Herrad wenig beeindruckt, doch der nachgeschobene Satz ließ sie den Kopf zu dem kleinen Jungen wenden. »Ein böser Mann?«, wiederholte sie. »Weil er mit seinen Barsakhanen das Dörfchen am Wachturm überfallen hat? Oder kennst du ihn?«
»Er lässt Leute bestrafen, die nichts getan haben«, sagte Wulfin so grimmig, dass Maurus einen der neben ihm stehenden Knechte anstieß und schmunzelnd etwas von einem wilden kleinen Krieger murmelte.
Die Richterin lachte nicht; sie sah nur zu Wulfila hinüber und mochte an seinem Gesicht wohl erkennen, dass es ihm unangenehm gewesen wäre, diese Angelegenheit vor zu vielen Zeugen besprechen zu müssen.
»In Corvisium, nicht wahr?«, sagte sie dann an Wulfin gewandt. »Das ist noch ein weiterer Grund, mit ihm zu reden.«
Doch Wulfin hatte nicht vergessen, was er von ihr hatte wissen wollen. »Ja. Aber was tun sie
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