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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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Richterin hier bezeichnen können, wenn Herr Honorius mir die Amtsgewalt, die er bis zu meiner Ankunft noch innehatte, förmlich übergeben hätte. Das ist nie geschehen. Ich habe kein Amt hier, nur die Anwartschaft auf eines. Folglich bin ich nicht verpflichtet, zu Ebbo zu gehen. Nicht wahr?«
    Sie hätte gern besser als nur aus dem Gedächtnis überprüft, ob eine solche Sichtweise irgendeine Grundlage hatte, doch zur Not würde sie den Vogt darauf hinweisen, dass ein König auch nach seiner Wahl noch kein richtiger König war, solange man ihn nich gesalbt und gekrönt hatte, und dass es mit denen, die ihm dienten, doch nicht viel anders sein konnte.
    Wulfila nickte jedenfalls beifällig. »Das klingt gut. Und wenn es jemandem nicht gut genug klingt, könnt Ihr immer noch sagen, ich hätte Euch schlecht beraten.«
    Gjukis zartes Zwitschern besagte wohl, dass er bereit war, das zu bezeugen, wenn man ihn nur fragen wollte.
    Herrad lächelte, doch nur leicht. »Dann lasst uns sehen, ob wir die anderen noch einholen können. Und betet, dass es Wigbold nicht so schlimm ergangen ist, wie wir befürchten müssen.«
    »Wenn er tot ist, ist er tot«, sagte Wulfila, »dann können wir nichts ändern. Ich hoffe nur, dass er nicht irgendwo hier im Wald liegt und sich wundert, warum niemand nach ihm sucht. Dann würde ich mir Vorwürfe machen.«
    Herrad nickte. »Das täte ich auch. Aber ich glaube nicht, dass er hier ist, nicht lebendig jedenfalls. Die Trolle wären nicht so munter, wenn jemand sich weit abseits des Weges in ihrem Wald aufhielte, und nahe am Weg kann er nicht sein, sonst hättet Ihr ihn vorhin gefunden. Zumindest hoffe ich das.«
    Mehr zu tun blieb wahrhaftig nicht, und Herrad verwarf alle kühnen Überlegungen, zu zweit den Wald nach einem einzelnen Mann zu durchsuchen; sie hätten doch nichts ausrichten können.
    Doch vernünftig gehandelt zu haben hieß nicht, auch recht gehandelt zu haben, und Herrad war dankbar, dass Wulfila sie nach einer Weile ansprach und ihren Gedanken bessere Beschäftigung als die reichlich fruchtlose mit Wigbolds möglichem Verbleib verschaffte.
    »Ihr habt nach meinem Vater gefragt, vorhin … Nach Mons Arbuini. Soll ich jetzt erklären, was damals war?«
    Mit ihrem Kopfschütteln hatte er nicht gerechnet, das sah sie ihm an. »Wir haben gerade festgestellt, dass ich eine arme Frau ohne Amt bin. Ich bin nicht verpflichtet, der Sache in irgendeiner Form nachzugehen, und Eure Geheimnisse dürfen die Euren bleiben.«
    Wulfila erzählte ihr die Geschichte dennoch, ob nun um für den Fall vorzusorgen, dass sie jemals wieder ein Richteramt bekleiden würde, oder um ihnen auf ihrer Reise durch die anbrechende Nacht die Zeit zu vertreiben, wusste sie nicht.
    Wulf stammte, wie der Name, den Bernward ihm beigelegt hatte, schon besagte, ursprünglich aus Corvisium, wohin es seine Eltern wiederum aus weiter westlich gelegenen Gegenden verschlagen hatte, bevor die Wirren des Barsakhanensturms sie alle auf Umwegen nach Sirmiacum geführt hatten. Jedenfalls gehörte er nicht zu einer der vielfach verwandten und verschwägerten Familien, die den Fürsten von Sirmiacum schon so lange dienten, wie überhaupt eine Burg zwischen den beiden Armen des kleinen Flüsschens stand, das dem Simertius zustrebte. Das hatte Bernward die Entscheidung, Wulf unbedenklich an die Richter des Königs auszuliefern, gewiss leichter gemacht.
    Man hatte Wulf nicht nach Padiacum, das sedes regia war, gebracht, denn dort hatte man nur über die wahrhaft wichtigen Leute Gericht gehalten; für ihn und seinesgleichen war das bescheidenere Salvinae, das knapp eine Tagesreise südwestlich von Aquae Calicis lag, gut genug gewesen.
    Im Grunde hatte man auf die traurige Ansammlung eilig fallengelassener Getreuer, die dort zusammengekommen war, nicht viel Zeit und Mühe verschwenden wollen, da ihre Aburteilung ohnehin von Anfang an festgestanden hatte. Was hätten auch einige alte Krieger, die zumeist nicht einmal ihren eigenen Namen hatten schreiben können, der königlichen Justiz entgegenzusetzen gehabt?
    Wulf war ein Ärgernis gewesen, nicht nur, weil er auch ohne Übersetzer die eindrucksvoll lange lateinische Anklageschrift sehr gut verstanden hatte, sondern auch aufgrund der Gewandtheit seiner Verteidigungsreden. Trotz aller wilden Gerüchte, die sich mit seinem Namen verknüpften, war zunächst weder den bezahlten Anklägern noch den Richtern der Nachweis gelungen, dass seine Taten in diesen Kriegszeiten gegen geltendes

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