Tricontium (German Edition)
worum es geht!«
»Du scheinst immerhin weitaus mehr als ich darüber zu wissen, warum es nötig ist, Herrn Geta zu bestechen«, sagte Wulfila mit einem bedauernden Kopfschütteln. »Ich kann dir nicht viel erzählen, nur, wie mein Vater davon erfahren hat. Am Abend vor Bocernae erzählte Herr Otachar ihm davon, dass er gerade den Schlüssel nebst einer Wegbeschreibung in den Ruinen des alten Klosters verborgen hätte. Es stand für Faroalds Seite nicht alles zum Besten und jeder ahnte, dass eine Schlacht zu diesem Zeitpunkt leicht die Entscheidung bringen konnte. Das Wissen darum, wo genug Gold versteckt war, um nötigenfalls Gefangene freizukaufen oder, wenn gar nichts mehr zu retten war, anderswo ein neues Leben zu beginnen, konnte nützlich sein, und deshalb teilte er es mit einigen Leuten, denen er vertraute. Es waren nur wenige, ausnahmslos solche, die am nächsten Tag in den Kampf ziehen würden. Mein Vater fand es unvernünftig, dass niemand darunter war, der sich in Sicherheit befand, und sagte: ›Wenn das schlecht ausgeht, sind wir morgen alle tot.‹ Aber Otachar sah ihn ganz seltsam an, wie einer, der mehr weiß, als er zugeben will, und sagte: ›Nein, nicht alle. Alte Wölfe sterben nicht so leicht, Markgrafen schon eher.‹ Dann lachte er zwar, aber ich weiß, dass die Sache meinem Vater im Nachhinein unheimlich war. Glaubst du, dass es sein kann, dass Otachar seinen eigenen Tod vorhergesehen hat, und auch, dass mein Vater überleben würde?«
Die Frage war keine, die Ardeija beantworten wollte, und er hoffte, dass Wulfila ihm nicht ansehen konnte, dass er etwas verschwieg. »Soweit ich weiß, hatte er in der Woche vor der Schlacht einen Traum«, begann er langsam, »und als er sich ein letztes Mal mit Gudhelm traf, erzählte er ihm, dass er in diesem Traum gesehen habe, dass mindestens einer von ihnen in einer großen Schlacht fallen würde.« Genau genommen hatte Otachar eine andere Aussage getroffen, aber man musste die Wahrheit nicht allzu sehr verbiegen, um daraus das, was Ardeija gesagt hatte, zu machen. »Vielleicht hat er also wirklich Vorahnungen gehabt.«
»Herr Otachar hat sich vor der Schlacht mit Fürst Gudhelm getroffen?« Stein hin oder her, Wulfin hatte sehr genau zugehört, und Ardeija schämte sich, die Anwesenheit des Jungen vergessen zu haben.
»Ja«, sagte er und lächelte das Kind an, froh, nun eine denkbar gute Entschuldigung für sein Ausweichen zu haben. »Das ist eine wahre Geschichte, hör gut zu. Vor vierzig Jahren, als die Barsakhanen von Osten her kamen, waren Gudhelm und Otachar junge Männer und kämpften gemeinsam gegen die Reiter aus der Steppe. Von da an waren sie immer enge Freunde. Doch dann, als Faroald, der Königssohn, sich gegen seinen Vater erhob, standen sie auf verschiedenen Seiten, und wenngleich sie lange in all den Kämpfen, zu denen es kam, nicht aufeinandertrafen, wussten sie, dass es sich nicht immer würde vermeiden lassen. Und das ist kein schönes Wissen, wenn man befreundet ist.«
Er sah zu Wulfila hinüber und hätte ihm eigentlich gern gesagt, wie dankbar er ihm für das, was er bei Bocernae getan hatte, war, doch jetzt, da sie auf dem Weg waren, einen Schatz zu heben, und er zudem seinen Freund gerade halb belogen hatte, war nicht die rechte Zeit für große Gefühlsbekundungen.
»Einige Tage vor Bocernae war dann abzusehen, dass die Heere bald aufeinandertreffen würden, und Fürst Gudhelm war oft schweigsam und nachdenklich. Dann aber kehrte er eines Abends in sein Feldzelt zurück und fand dort ein Büschel Heidekraut. Das war ein geheimes Zeichen, mit dem Otachar ihn zu einem Treffen bat. Deshalb brach Gudhelm gleich auf und nahm nur den einen Krieger mit, dem er vor allen anderen traute. Als der Morgen dämmerte, hatten sie den Kranichwald durchquert und kamen an die Stelle, die Porta Tricontii heißt, wo die aufrechten Steine stehen. Ihr müsst auf dem Weg von Tricontium her daran vorbeigekommen sein. Man sagt, dass es einst eine heilige Stätte war, aber das ist lange her. Dort, wo die Heide beginnt, wartete Otachar, auch er nur mit einem Begleiter. Die beiden Freunde umarmten einander und redeten dann lange. Herr Otachar erzählte Herrn Gudhelm von seinem Traum. Da auch Gudhelm daraufhin beunruhigt war, beschlossen die beiden, jeweils ein Büschel Heidekraut an ihren Helmen zu befestigen, bevor sie in den Kampf aufbrachen.«
Wulfin warf den Stein in die Luft und fing ihn wieder auf. »Warum wollten sie das tun? War es ein
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