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Tricontium (German Edition)

Tricontium (German Edition)

Titel: Tricontium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Claußnitzer
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zum Aufbruch zu mahnen. Wulfila ging, doch Ardeija konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sein Freund Herrad in dieser Lage nicht von der Seite gewichen wäre, wäre Wulfin ein paar Jahre älter gewesen.

16. Kapitel: Fehlgriffe
    Marcus Aelius Silvanus musste ein wohlhabender Mann gewesen sein. Er hatte sich ein reich geschmücktes, weithin sichtbares Pfeilergrabmal gleich an der Straße leisten können, das noch Jahrhunderte nach seiner Errichtung recht eindrucksvoll wirkte. Vor allem aber war es hoch genug, als Aussichtspunkt zu dienen, um einen Überblick über das Gräberfeld zu gewinnen, solange die Krieger der Richterin noch auf sich warten ließen.
    »Frau Herrad sagt, ich soll dich etwas fragen.« Wulfin stemmte sich tapfer gegen den auffrischenden Wind, der ihn mittlerweile von dem ungeliebten Haarband erlöst zu haben schien, wenn er nicht selbst tatkräftig nachgeholfen hatte, und blickte zweifelnd an dem römischen Grabmal, an dessen Fuß er stand, empor, als hielte er es nicht für unbedingt wahrscheinlich, dass sein Vater heil oben ankommen würde. Angesichts ablenkender Bemerkungen von unten und nasser Steine mochten diese Bedenken auch nicht ganz unberechtigt sein.
    Wulfila zog sich nicht ohne Mühe ein Stück weiter hinauf. »Hat das nicht bis nachher Zeit?«
    Wulfin erwog die Frage gründlich. »Sie sagt, ich soll dich fragen, wenn wir allein sind.«
    Wulfila reckte sich in der Hoffnung, nun weit genug gelangt zu sein, um Herrad und die anderen auf ihrem Weg zum Versteck der Kriegskasse erspähen zu können. »Gleich, wenn ich wieder unten bin … Und nun sei still!«
    Doch »gleich« trat schneller als erwartet ein, viel zu schnell. Der vorspringende Stein, auf den er sein Gewicht verlagert hatte, war ganz offensichtlich nicht so fest verankert gewesen, wie es den Anschein gehabt hatte, und das Relief darunter zu feucht und glatt, um Halt zu bieten. Immerhin war Wulfila nun halbwegs auf einer Augenhöhe mit Wulfin, der das aber nicht zu schätzen wusste, sondern nur sehr erschrocken dreinsah.
    »Hast du dir wehgetan?«
    Wulfila stützte sich am Sockel des Grabmals ab, um wieder auf die Beine zu kommen, und dachte mit Schaudern daran, zu welchen Bemerkungen über Familiengewohnheiten und Schweineställe sein jetzt herrlich schmutziger Mantel Herrad verleiten würde.
    »Nein«, sagte er, nicht, weil es wahr gewesen wäre, sondern weil seiner Erfahrung nach nichts auf der Welt lästiger war als ein Vater, der für seine eigene Dummheit auch noch bedauert werden wollte. »Was will Frau Herrad nun wissen?«
    »Ob du ihr böse bist, wegen des Brandmals«, sagte Wulfin und deutete noch im selben Atemzug nach Norden, zur Stadt hin. »Da kommen Leute.«
    Hätte es sich um die erwarteten Krieger gehandelt, hätte das eine gute Nachricht sein können, und wenn es Fremde gewesen wären, wäre die Beobachtung wohl in den allermeisten Fällen belanglos gewesen. Aber die Männer, die sich näherten, waren weder Freunde noch Unbekannte.
    Nach allem, was Ardeija erzählt hatte, hätte Wulfila sich eigentlich nicht wundern sollen, dass Asgrim sich mit einigen Gefolgsleuten auf dem alten Römerfriedhof herumtrieb, aber er fragte sich trotz allem, ob die Gier nach der Kriegskasse ein ausreichender Grund für den Fürsten sein konnte, nach Aquae zu reisen, wenn sich zur gleichen Zeit Ebbo nur einen knappen Tag vom Brandhorst entfernt mit seinen Barsakhanen in der Tricontinischen Mark einnistete.
    Der Fürst und seine Begleiter kamen nicht geradewegs von der Stadt her. Auf der gut einsehbaren Straße wären sie wohl auch kaum so nahe herangelangt, ohne schon eher von Wulfin bemerkt zu werden; sie mussten sich auf der östlichen Seite des Gräberfelds aufgehalten haben, bevor der Junge sie gesehen hatte, und leider hatten sie ihrerseits erkannt, wer vor dem Grabmal des Silvanus stand.
    »Ist das nicht unser Kürbisdieb?«, rief einer der Krieger, ein dunkelhaariger Kerl mit zwei gekrümmten Steppendolchen im Gürtel; er hatte neulich ohne Erbarmen hart zugeschlagen. Nicht nur deshalb verzichtete Wulfila darauf, sich zu der Frage zu äußern. Stattdessen packte er Wulfins Hand und lief los, in der Hoffnung, schnell tief genug in das Gewirr aus Sarkophagen, Gedenksteinen und größeren Grabbauten zu gelangen, um ein brauchbares Versteck auszumachen und unauffindbar zu sein, bis die unmittelbare Gefahr vorüber war. Dann heimlich hinüber zu der unregelmäßigen Reihe von Birken, die im Westen die Nekropole

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