Tricontium (German Edition)
gütigen Lehrers, »und ich habe kein Amulett, das ich Euch jetzt in die Hand geben könnte, um Euch zur Wahrheit zu zwingen. Aber täuschen könnt Ihr mich nicht: Wir wissen beide von Otachars Gold, und ich ahne, dass Ihr nun auf dem Weg seid, um es zu heben. Das würde Euch aber schlecht bekommen. Denkt immer daran, dass der Rabenkönig nur den Vernünftigen seinen Schutz gewährt!«
»Das mag sein, und Vernunft und Feigheit schließen einander nicht aus. Sie sind aber auch nicht immer miteinander gleichzusetzen. Wenn Ihr mir nicht glaubt, dann poliert Euren Spiegel besser und trefft fürderhin weisere Aussagen.«
Ardeija hätte Frau Herrad liebend gern zugeflüstert, dass man so mit einem mächtigen Zauberer nicht reden dürfe, doch es hätte nicht mehr viel genützt; was einmal gesagt war, ließ sich nicht ungesagt machen.
Aber Malegis sprach keinen Fluch und ließ auch sonst keinen Ärger erkennen. Er warf den Kopf in den Nacken, dass die Anhänger in seinem Bart zu tanzen begannen, und lachte.
»Ich habe wohl zu schlecht von Euch gedacht, Richterin! Ich wäre ein Lügner, wenn ich bestreiten wollte, dass ich Euch jenes Urteil damals übelgenommen habe. Jetzt aber weiß ich, dass ich weit lieber Euer Freund als Euer Feind sein möchte.«
»Als Freund seid Ihr mir auch eher willkommen.« Herrad trat hinter den Männern hervor und streckte die Hand aus, die Malegis im Aufstehen ergriff.
»Ah, das ist lobenswert – eine gewandte Zunge und der Wille, Frieden zu schließen, gehen viel zu selten miteinander einher. Wir werden uns gut miteinander verstehen, Frau Herrad.«
Das wollte Ardeija nicht hoffen. Frau Herrad konnte sich doch wohl nicht allen Ernstes mit diesem Hexenmeister verbünden wollen, der seine Dienste nicht nur auf dem Brandhorst teuer verkauft, sondern offensichtlich auch noch in Tricontium sein Unwesen getrieben hatte? Gut, über seinen Arm konnte der Hauptmann nicht mehr klagen, doch das machte Malegis nicht unbedingt vertrauenswürdiger, hatte er doch für seine Hilfe Theodulf mehr Geld abgeknöpft, als ein gewöhnlicher Arzt je verlangt hätte.
Doch bei den anderen schien das Lächeln, mit dem der Zauberer in die Runde blickte, nun, da Herrad ihre Entscheidung gefällt hatte, auf weniger Misstrauen zu stoßen, und Malegis seinerseits wirkte durchaus zufrieden mit der neuen Entwicklung.
»Ihr fragt, warum ich mich hier aufhalte«, begann er an Herrad gewandt, sobald sich ihre Hände wieder voneinander gelöst hatten. »Um Kräuter zu suchen, hätte ich gerade eben noch gesagt. Nun aber glaube ich, dass ich hier bin, um etwas Großes mitanzusehen, einen Kampf, der vielleicht allein mit Worten nicht gewonnen werden kann. Den Jungen solltet Ihr aber besser doch in Sicherheit schicken, bevor Ihr weitergeht. Ihr wisst doch wohl, wo Mut endet und Leichtsinn beginnt?«
Herrad nickte leicht. »Geht mit Wulfin dorthin, wo meine Krieger gleich eintreffen werden«, bat sie an Wulfila gewandt und Ardeija fragte sich, ob ihr neues Einvernehmen mit Malegis doch nicht so herzlich war, dass sie den Treffpunkt klarer hätte benennen wollen. »Sagt ihnen, wo wir uns aufhalten, und dass sie vorsichtig nachkommen sollen.«
»Ich würde ihnen auch gern sagen, worauf sie sich einstellen müssen«, gab Wulfila zu bedenken. »Wer also wartet dort auf uns, Herr Malegis?«
»Honorius«, gab Malegis bereitwillig Auskunft. »Und er würde gewiss lieber ungestört bleiben.«
Die Richterin sah nicht so überrascht aus, wie sie es angesichts einer solchen Eröffnung hätte sein müssen. »Das glaube ich gern. Hat er Euch das gesagt, als Ihr um den Lohn für Euren missglückten Geisterspuk gebeten habt?«
Malegis hatte ein Lederband aus seinem Beutel geholt, um sich das Haar zurückzubinden, als erwarte er, bei einer möglichen Auseinandersetzung kein unbeteiligter Beobachter zu bleiben. »Ich habe nicht mit ihm geredet; das erschien mir, nach allem, was in Tricontium so geschehen ist, wenig ratsam. Gesehen habe ich ihn dennoch, mit den dreien, die seine engsten Vertrauten sind.«
»Krieger?«, fragte Ardeija, so viel Überwindung es ihn auch kostete, Malegis von sich aus anzusprechen.
Der Zauberer verneinte. »Seine Schreiberin, sein Botenreiter und ein Mann, der ihm gelegentlich Diener, gelegentlich Auge und Ohr ist … Doch man muss kein Krieger sein, um sich aufs Kämpfen zu verstehen.«
»Nein, aber meine Leute werden wissen, womit sie rechnen müssen.« Ardeija versetzte Wulfila einen sanften Stoß, um ihn
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