Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Tisch und Schränke ausnahmslos aus Eichenfurnier bestanden und günstig gewesen waren, besaßen sie jenen Charme, den Anna sich immer für ihren eigenen, kreativen Arbeitsplatz gewünscht hatte. Vor dreizehn Jahren hatte sie sich den Traum erfüllt und die Gestalter
gegründet.
Damals hatte Thorsten noch gelebt. Anfangs war die Agentur in einem kleinen Arbeitszimmer in ihrer Wohnung in Prenzlauer Berg untergebracht gewesen. Der Erfolg war unerwartet und plötzlich über sie hereingebrochen, also hatten sie nach einem größeren Büro gesucht und mit Nina ihre erste Angestellte gefunden. Nach und nach waren immer mehr Mitarbeiter hinzugekommen, bis sie schließlich in eine der Top-Adressen Berlins hatten ziehen können: die Hackeschen Höfe in Mitte.
Kurz nach der Jahrtausendwende hatten Anna mehrere Schicksalsschläge auf einmal ereilt. Thorstens Tod. Dann auch noch die Wirtschaftskrise. Die Konsumflaute war nicht spurlos an der Agentur vorbeigegangen. Ein Auftrag nach dem anderen brach weg. Die Gestalter
besaßen zwar noch einige Kunden, aber Sachsopharm war mit Abstand der größte von ihnen. »Lass es mich so formulieren: Wir müssen den Auftrag retten.«
»Ansonsten?«
Allein die Vorstellung bereitete Anna Magenschmerzen. »Ansonsten brauche ich mir in Zukunft nicht mehr den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich mit Dietrich den richtigen Grafiker behalten habe oder nicht.«
»Scheiße«, war Ninas Reaktion.
»Scheiße stinkt! Sagt Manuel.«
»Wie geht es ihm?«
Anna schob den Ärmel ihrer Bluse einige Zentimeter nach oben. Ihre Finger glitten gedankenverloren über die hebräischen Schriftzeichen über ihrem Gelenk. Die Buchstaben, die sie sich voller Stolz wenige Wochen nach der Geburt ihres Sohnes hatte tätowieren lassen, standen für »Manuel«, was im Hebräischen so viel wie »Gott ist mit uns« bedeutete.
»Es geht.«
»Also nicht gut.«
Anna wollte nicht darüber reden.
»Darling, vielleicht solltest du das Angebot von deinem Schwager Bernd doch annehmen?«
Dieses Thema behagte Anna noch weniger. »Das halte ich für keine gute Idee.«
»Bist du dir sicher? Schließlich ist er ein erfolgreicher Künstler, verfügt über eine Menge an Kontakten – und besitzt viel Geld.«
»Kommt nicht in Frage!«, beschied Anna knapp.
»Weil er dein Schwager ist?«
»Nein, weil ich Verpflichtungen fürchte, die ich möglicherweise eingehen müsste.«
»Du meinst, er würde etwas von dir wollen?«
»Bernd hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass es mehr ist als nur familiäre Zuneigung, die er für mich empfindet. Von Anfang an war er der Auffassung, Alan habe mich nicht verdient. Na ja, und als die Sache zwischen Alan und mir eskaliert ist, das hat Bernd seinem Bruder natürlich übel genommen. Er hält Alan für einen dummen Feigling. Seitdem sind sich die beiden nicht mehr grün.«
»Schön und gut, Darling, aber das ist etwas zwischen den zweien, was ist mit dir?«
»Mit mir? Ich möchte die Freundschaft zu Bernd nicht durch eine Affäre gefährden.« Anna kostete es Überwindung, der Versuchung zu widerstehen, zu den Gauloises zu greifen. »Außerdem weiß ich nicht, was eine Beziehung zu Bernd mit Alan anrichten würde.«
»Ich höre wohl nicht recht? Du nimmst Rücksicht auf Alan? Ausgerechnet auf ihn?«
»Nicht auf Alan.«
Nina nickte wissend. »Auf Manuel, richtig?«
Noch immer sträubte sich Anna, über ihren Sohn zu reden.
Nina ließ nicht locker. »Es hat sich nicht gebessert, stimmt’s?«
Anna schwieg betroffen.
»Du darfst dir keine Vorwürfe deshalb machen«, meinte Nina. »Ich will dir was sagen: Du hattest gute Gründe, dich von Alan zu trennen, verdammt noch mal.«
»Eigentlich war es ja nur einer: Wir haben uns auseinandergelebt.«
»Ha!«, machte Nina verächtlich. »Das ist aber eine sehr charmante Umschreibung dafür, dass er keinerlei Notiz mehr von dir und deinen Problemen genommen hat.«
»Ja, aber für Manuel war er trotzdem wie ein Vater.«
»Schön und gut, aber …«
»Nein, kein Aber«, unterbrach Anna. »Als ich mich von Alan trennte, hätte ich wissen müssen, dass es für Manuel ein Schock sein würde. Für ihn ist es, als hätte er zum zweiten Mal seinen Vater verloren. Er redet kaum noch mit mir. Wird immer verschlossener. Empfindlicher. Und er ist wieder viel zu nah am Wasser gebaut.« Die Worte waren selbst ihr peinlich.
Wie muss sich dann erst Manuel fühlen?
»Es ist doch ganz normal, dass er weint.«
»Das meine ich nicht.«
»Macht er wieder
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