Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
tun?«
Berger klappte den Ordner zu. »Ganz einfach. Die Leiche der Prostituierten, die wir heute Morgen gefunden haben, wurde am gleichen Ort entdeckt wie die der Hure vor drei Monaten. Im gleichen Stadtteil, auf dem gleichen Spielplatz. Herrgott, ich glaube, sie lag sogar unter dem gleichen Busch.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, als sei ihm kalt. Doch der Eindruck täuschte, immerhin war schon eine Stunde vergangen, seit sie vom Fundort der Leiche in Charlottenburg zurückgekehrt waren, und sie befanden sich im aufgeheizten Konferenzraum. »Zu guter Letzt ist auch die Art und Weise, auf die beide Frauen ums Leben kamen, identisch: Der Mörder hat sie zu Tode gepeitscht.«
»Sollten wir nicht erst abwarten, was Gerichtsmedizin und Spurensicherung zu der Sache sagen, bevor wir solche Vermutungen anstellen?«, wandte der Dezernatsleiter ein.
»Dr. Wittpfuhl hat uns bereits alles Wesentliche bestätigt«, versicherte Harenstett. »Vorhin am Tatort.«
Kalkbrenner schob sich ungerührt eine Gabel Karottenkuchen nach der anderen in den Mund und verzichtete auf den Vermerk, dass er nicht dabei gewesen sei. Schließlich würde auch das nichts an der Wahrheit ändern.
Aletheia
. Trotz der vielen Sahne klebte der Rührteig wie Beton an seinem Gaumen.
»Die Öffentlichkeit hat bis heute kein einziges Detail über den Mord von vor drei Monaten erfahren«, warf Berger ein. »Es kann sich also um keinen Nachahmungstäter handeln. Und um einen Zufall schon mal gar nicht.«
»Dossantos hat uns vor drei Monaten also nicht nur den Lehrermörder frei Haus geliefert«, resümierte Dr. Salm, »sondern auf diese Weise auch noch einen weiteren Mörder gedeckt.«
Bergers Arme sanken ergeben herab. »Stimmt. Derjenige, der die Prostituierten auf dem Gewissen hat, läuft noch frei herum und hat jetzt zum zweiten Mal zugeschlagen. Er fordert uns sogar heraus, indem er die Leiche am gleichen Ort ablegt und uns obendrein noch eine Botschaft hinterlässt.«
»Was denn für eine Botschaft?«
»Der Frau in Charlottenburg wurde nach ihrem Tod ein Anhänger an ihrer Kette befestigt. Er trägt die Aufschrift ›Aletheia‹,
das ist griechisch und steht für Wahrheit. Aus welchem Grund auch immer …« Erneut ruhte Bergers Blick auf Kalkbrenner. Auch Muth beobachtete aus den Augenwinkeln interessiert, wie Kalkbrenner noch immer Kuchen in sich hineinstopfte. »Der Mörder will, dass wir endlich die Wahrheit erfahren.«
»Und diesem Wunsch schließe ich mich an«, sagte Harenstett. Dann musste er wegen eines Hustenanfalls kurz innehalten, bevor er weitersprechen konnte. »Damals waren wir mit einer Soko ganz dicht an Miguel Dossantos dran. Einfach ärgerlich, dass er sich in letzter Sekunde einem Verfahren entziehen konnte. Die Zeugin, die bereit war, gegen ihn auszusagen, wurde umgebracht – es handelte sich dabei übrigens um seine eigene Frau. Aber das nur nebenbei. Viel wichtiger ist doch: Wenn Dossantos vor drei Monaten einen Mord vertuscht hat und der Mörder von damals jetzt wieder zugeschlagen hat …«
»… und sogar nach der Wahrheit
verlangt!«, warf Berger ein.
»… dann will ich verdammt sein, wenn ich die Gelegenheit nicht nutze, um Dossantos endlich an die Wand zu nageln.«
Kalkbrenner legte die Kuchengabel beiseite. Die Sahne lag ihm schwer im Magen, sodass er keinen Bissen mehr hinunterbekam. Hier braute sich etwas zusammen. Etwas ganz Gewaltiges.
Dr. Salm holte tief Luft. »Das heißt, der Fall von damals muss noch einmal aufgerollt werden?«
»Ja«, pflichtete ihm Berger bei. »Und es muss geprüft werden, ob und was vor drei Monaten übersehen wurde und«, er dehnte seine Worte, während er Kalkbrenner eindringlich fixierte, »worüber vielleicht gar nicht gesprochen wurde.«
Sebastian sagte
,
er hat versucht
,
mit dir zu reden.
Kalkbrenners Stuhl knackte besorgniserregend, doch der Sessel hatte dreißig Jahre lang unzählige Polizistenhintern verkraftet, da würde er sicherlich auch die nächsten zehn Minuten überdauern. Allerdings war sich Kalkbrenner nicht sicher, ob er selbst so lange durchhalten würde.
»Kalkbrenner, was sagen Sie dazu?«, fragte Dr. Salm jetzt zu allem Überfluss noch. »Denken Sie, dass im Herbst etwas übersehen wurde?«
Kalkbrenner schaute Berger an.
Du weißt ganz genau
,
um wen es geht.
»Ich habe keine Ahnung.«
Mühsam unterdrückte Berger seinen Zorn, nur sein Bart zuckte unbeherrscht.
»Also«, befand Dr. Salm, »wenn Dossantos tatsächlich in die Sache
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