Trieb
veröffentlichen könne, da dies die Suche nach dem Täter erschweren würde. Das betreffe auch die Todesart, den Todeszeitpunkt und die Frage, ob der Junge sexuell missbraucht oder vergewaltigt wurde. Jürgen Heindl fügte hinzu: »Wir möchten kein Täterwissen bekannt geben, solange er noch frei herumläuft.«
107
»Du bist zu früh dran!« Ludwig scheuchte Tabori mit einem wirbelnden Handtuch spielerisch aus der Küche. »Ich bin noch nicht fertig.«
Kichernd blieb Tabori in der Diele stehen.
»Was gibt es da zu lachen?«
»Du … lustig«, sagte Tabori und deutete auf die Küchenschürze, die sich Ludwig umgebunden hatte. Auf ihr tummelten sich knallgelbe Enten.
Ludwig nahm die Schürze ab und hängte sie am Griff vor dem Backofenfenster auf. »Habe ich dich geweckt?«
»Nein. Ich … helfe Frühstück.«
»Das wirst du nicht! Du wartest!« Schnell verteilte Ludwig Teller, Messer und Gabeln auf dem Tisch. Anschließend öffnete er den Ofen und balancierte mit zwei Topflappen eine dampfende Kuchenform auf die Anrichte.
Mit wachsender Begeisterung sah Tabori, wie Ludwig Schokoladenglasur über den dunkelbraunen Kuchen strich, Kerzen in den Teig steckte und sie entzündete. »Lieber Tabori, herzlichen Glückwunsch und alles Gute zum Geburtstag!«
Tabori war sprachlos. Ludwig hatte tatsächlich an seinen Geburtstag gedacht!
»Ich habe dir einen Schokoladenkuchen gebacken. Den magst du doch besonders gerne, oder?«
Der Kuchen war zwar nicht ganz rund geraten, und die Glasur war an manchen Stellen nicht ganz deckend, trotzdem war es für Tabori der tollste Kuchen der Welt. Ganz bestimmt würde er richtig lecker sein.
»Magst du ihn nicht probieren?«, fragte Ludwig.
Einen Wimpernschlag später saß Tabori auf einem Stuhl am Küchentisch.
»Bevor du isst, musst du die Kerzen auspusten und dir etwas wünschen.«
»Auspusten?«
Ludwig blähte erklärend seine Wangen auf. Tabori brauchte zwei Anläufe, um alle Kerzen zu löschen. Erst danach schaufelte ihm Ludwig ein Stück Kuchen auf den Teller.
Allein der Duft nach Schokolade – Tabori konnte es immer noch nicht fassen. Wann hatte er das letzte Mal ein Stück frischen, noch warmen Kuchen gegessen? Und obendrein noch an seinem Geburtstag? Hätte er einen Wunsch frei gehabt, so hätte er sich jetzt seine Mutter, Mickael, Gentiana, Florim und Ryon herbeigewünscht. Ja, sogar Aidan, denn Aidan war in der letzten Woche doch wie ein großer Bruder zu ihm gewesen. Tabori wollte den Kuchen mit all seinen Freunden teilen, denn er schmeckte so wunderbar. Er nahm ein zweites Stück in Angriff.
Als er es zur Hälfte geschafft hatte und kurz innehielt, sagte Ludwig: »Leider habe ich kein Geschenk mehr für dich kaufen können.«
»Geschenk egal!«, beteuerte Tabori, und es war ihm ernst damit. Schon jetzt war der heutige Geburtstag der schönste seit Jahren. »Kuchen ist Geschenk.«
»Das ehrt mich und meine Backkünste.« Ludwig kratzte etwas von der Schokoglasur mit dem Finger ab und steckte ihn in den Mund. »Aber ich habe trotzdem eine Überraschung für dich. Sie ist sogar noch besser als der Kuchen.«
»Kann aber nicht besser sein.«
»Na gut, wenn dir der Kuchen Freude genug ist, dann«, Ludwig machte sich betont langsam daran, die Küche zu verlassen, »behalte ich die Überraschung eben für mich. Kein Problem.«
Das konnte doch nicht sein Ernst sein?
»Oder möchtest du wissen, was das für eine Überraschung ist?«
Was für eine Frage! »Bitte, ja.«
Schelmisch grinsend setzte Ludwig sich zurück an den Tisch. »Na gut. Heute Mittag fahren wir beide in die Stadt und treffen uns mit Georg. Ich habe dir schon von ihm erzählt, weißt du noch? Vorhin hat er angerufen und gesagt, er weiß vielleicht, wo Ryon ist.«
Die Nachricht war tatsächlich die beste Geburtstagsüberraschung, die Tabori sich vorstellen konnte.
108
Paul Kalkbrenner bewegte sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit durch den Schnee. Seine Beine fanden einen eigenen Rhythmus, der Körper trieb wie in Trance dahin. Beim Joggen vergaß er die Ereignisse der letzten Tage: Peglar, Fielmeister, Radomski, tote Prostituierte, Manuel – alle waren sie weit weg. Er dachte an nichts. Einfach an nichts.
Nur ab und zu schaute er nach Bernie. Der Vierbeiner trabte freudig neben ihm her, hob zwischenzeitlich das Hinterbein an einem Busch, sprintete dann aber wieder los und holte auf. Kalkbrenner liebte die Leere in seinen Gedanken. Ein viel zu seltener Moment – der leider viel zu
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