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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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zügig es ihr schwacher Körper zuließ, eilte sie in den Flur und folgte den Hinweisschildern in Richtung Ausgang. Als sie den Fahrstuhl erreichte, bemerkte sie eine bekannte Stimme.
Alan!
Er humpelte auf sie zu.
    Anna wich von der Aufzugtür zurück und wankte in das nahe Treppenhaus. Über die Stufen gelangte sie eine Etage tiefer, wo sie die Kinderstation durchquerte. In einem Spielzimmer tollten Mädchen und Jungen umher. Der Anblick der ausgelassenen Kleinen schnitt ihr ins Herz und machte ihr den eigenen Verlust wieder schmerzlich bewusst.
    Sie drückte die nächstbeste Tür auf. Vor ihr erstreckte sich ein Flur, von dem zu beiden Seiten Krankenzimmer abzweigten. Anna flüchtete weiter und passierte ein Schwesternzimmer, in dem Pflegerinnen schnatternd ihre Pause genossen. Die jungen Frauen schenkten ihr keinerlei Beachtung. Über eine weitere Treppe gelangte sie ins Erdgeschoss. Dort beobachtete sie für ein paar Momente den Pförtner am schlauchförmigen Eingang, doch der Mann war in eine Zeitschrift vertieft.
    Endlich war Anna draußen. Kälte empfing sie, und mit ihr konnte sie wieder klare Gedanken fassen. Sie wurde wütend, vor allem auf sich selbst.
Was hast du dir nur dabei gedacht
,
dir das Leben zu nehmen?
Sollte Alan mit seiner Tat denn ungestraft davonkommen? Nein, er musste zur Rechenschaft gezogen werden.
Manuel zuliebe.
Und auch wegen Anna.
    Sie brauchte Beweise. Aber wie sollte sie das anstellen?
Alleine besaß sie kaum eine Chance. Und schon gar nicht in ihrem Zustand und bei diesem miesen Wetter. Sie brauchte Hilfe. In den Jackentaschen kramte sie nach Kleingeld. Sie wollte Nina anrufen, aber dann verwarf sie den Gedanken. Ihre schwangere Freundin würde ihr nicht helfen können.
    Es existierte nur eine Person, die Anna zur Seite stehen konnte. Sie winkte einem Taxi, das an einem Taxenstand gewartet hatte, und ließ sich seufzend auf die Rückbank fallen. Im Inneren war die Heizung bis zum Anschlag aufgedreht. Die Wärme umfing Annas erschöpften Körper wie eine kuschelige Decke. Als der Fahrer sie nach dem Ziel fragte, brauchte sie drei Anläufe, bis sie ihm die Adresse nennen konnte.

144
    Menschen über Menschen hasteten an Tabori vorbei. Einige schleppten Koffer, andere Rucksäcke. In kleinen Gruppen eilten sie kreuz und quer über den Bahnhofsvorplatz, um ihre Züge zu erreichen.
    Tabori schlängelte sich gekonnt durch die Leute in den Bahnhof hinein. In der Halle steuerte er auf den Informationsschalter zu, an dem ihm eine freundliche Dame den Weg zur Bahnhofsmission erklärte. Als er der Beschreibung folgte, kam er zu einer Kreuzung und bog in Richtung Bahnüberführung ab.
    An der rückwärtigen Straße fand er auf Anhieb das Gebäude, von dem ihm die Frau erzählt hatte. Es erweckte ganz und gar nicht den Anschein von großem Luxus oder Reichtum. Ob man ihm dort tatsächlich helfen konnte, wieder nach Hause zu gelangen? Tabori hoffte es. Er freute sich bereits auf seine Familie, seine Freunde und den Skanderberg. Sogar auf den Grießbrei.
    Er umkurvte die Autos in den Parkbuchten, blieb aber nach wenigen Metern stehen. Ein Stück weiter, in einer überdachten Passage, entdeckte er eine bekannte Gestalt mit Lederjacke, schickem Pulli und schwerer Goldkette um den Hals. Miro.
    Der russische Junge, der Tabori und Florim bei ihrer Ankunft in Berlin verprügelt hatte, lehnte cool am Pfeiler einer Treppe, die hinauf zu einem Hostel führte. Mit seinen Freunden klatschte Miro sich ab, nur um die Hände gleich darauf vor seinen Mund zu halten, wo er sie durch angestrengtes Pusten anwärmte. Dabei drehte er den Kopf und blickte in Taboris Richtung.
    Erschrocken versteckte sich Tabori hinter einem parkenden Auto. Miro hatte ihn nicht gesehen, vielleicht hatte er ihn auch nur nicht erkannt. Wahrscheinlich konnte er sich gar nicht mehr an Tabori und die Schlägerei erinnern.
    Tabori hingegen wagte sich nicht mehr von der Stelle, denn er hatte den Russen noch umso deutlicher im Gedächtnis.
    Er ließ Miro nicht aus den Augen. Hören, worüber er sich mit den anderen Jugendlichen unterhielt, konnte er nicht, aber ohne Zweifel amüsierten sie sich. Sie alberten herum, zogen sich gegenseitig auf oder machten sich über Passanten lustig. Einige von ihnen rauchten. Aber nichts von dem, was sie machten, ließ erkennen, warum sie gerade hier herumlungerten oder warum sie Taboris und Florims Rückkehr zum Bahnhof mit so einer kräftigen Abreibung beendet hatten.
    Ein Streufahrzeug kam röhrend vorbei

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