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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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geliebt.«
    »Oft, viel zu oft.«
    »Sie haben viele Frauen gehabt?«
    »Vielleicht.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    Er runzelt die Stirn.
    »Sie haben nie geliebt, Sie können nicht lieben«, sagt sie schelmisch.
    Er schweigt, ist verunsichert, weiß nicht, was sie von ihm hören will.
    »Sprechen Sie weiter.«
    »Stellen Sie mir Fragen.«
    »Was soll ich Sie denn fragen?«
    »Das weiß ich doch nicht.«
    Er lächelt verlegen. Wenn er lächelt, sieht er jünger aus.
    »Sollen wir über die Liebe reden?«
    »Wir reden doch die ganze Zeit über nichts anderes.«
    Sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Bier und fragt ihn dann: »Glauben Sie, daß man mehr als einen Menschen zur gleichen Zeit lieben kann?«
    »Ich bin mir ganz sicher.«
    »Sie betrügen eine mit der anderen?«
    »Jede Form von Betrug ist mir fremd.«
    »Warum versuchen Sie es nicht mit einer Frau?«
    »Dann würde ich mich selbst betrügen.«
    »Wenn man zwei Menschen zur gleichen Zeit liebt, dann betrügt man sie alle beide.«
    »Man kann auch mehr als zwei lieben. Sie reden in Gleichungen, wie eine Mathematikerin. Aber Liebe hat mir Mathematik nichts zu tun.«
    »O doch, zumindest im Sinne von auseinanderdividieren.« Sie lacht und entblößt dabei ihre kräftigen, leicht gelbstichigen Zähne.
    Nur intelligente Frauen haben solche Zähne, denkt er.
    »Für Sie ist die Liebe so etwas Selbstverständliches wie Essen, Trinken und Schlafen.«
    »Warum auch nicht?«
    »Sie gebrauchen das Wort ›Liebe‹ sehr inflationär.«
    »Jedenfalls ist es besser, viel zu lieben, als innerlich tot zu sein.«
    »Für Sie ist die Liebe also eine Art bewußtseinserweiternde Droge.«
    »Ob bewußtseinserweiternd oder nicht, Droge jedenfalls.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Eigentlich will ich nichts von Ihnen im speziellen. Ich könnte Sie stundenlang einfach nur ansehen, Ihren schönen Körper betrachten ...«
    »Und ich will nichts von Ihnen«, unterbricht sie ihn scharf.
    »Das habe ich gleich gewußt.«
    »Trotzdem versuchen Sie es.«
    »Ich versuche es immer.«
    »Und wenn es nicht klappt oder schiefgeht?«
    »Ich habe keine Angst vor Enttäuschung.«
    »Keine Angst, verletzt zu werden?«
    »Nein. Die Liebe, die ich nicht bekomme, kann ich auch nicht verlieren. Es sind die anderen, die Angst haben müssen, meine Liebe zu verlieren.«
    »So einfach ist das für Sie.«
    »Ja, einfach ist es.«
    »Und trotzdem behaupten Sie zu lieben, oft und viel zu lieben.«
    »Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, daß sich die Körper der Frauen weniger einsam fühlen.«
    »Der Zustand meines Körpers läßt sich nicht als einsam beschreiben.«
    Er läßt seine linke Hand unter den Tisch wandern, berührt sanft ihr Knie und blickt ihr tief in die Augen.
    Sie entzieht ihm ihr Bein und rückt ein Stück von ihm weg.
    »Ihr Tempo ist unheimlich.«
    »Sie sind eine hoffnungslose Romantikerin.«
    »Das hat mir noch kein Mann gesagt.«
    »Genügt es nicht, daß ich es sage?«
    »Es gelingt Ihnen fast, mich wütend zu machen.«
    »Das habe ich nicht beabsichtigt.«
    »Und das soll ich Ihnen glauben?«
    »Mir ist es egal, was Sie glauben.«
    Nach einer längeren Pause sagt er: »Sie sind sehr schön.«
    »Ich weiß.«
    »Sie haben traumhafte Beine.«
    Sie schlägt ihre Beine übereinander und schenkt ihm einen amüsierten Blick.
    »Hören Sie gern Komplimente?«
    »Warum nicht?«
    »Ihre Augen ...«
    »Was ist mit meinen Augen?«
    »Ihre Farbe wechselt ständig zwischen Grün und Blau.«
    »Sind Sie farbenblind? Ich habe graugrüne Augen.«
    »Ist das wichtig?«
    »Natürlich ist das wichtig.«
    »Streiten wir uns nicht, trinken wir noch ein Bier. Oder möchten Sie lieber was anderes?«
    »Bier ist okay, obwohl ich es nicht leiden kann, wenn mein Atem nach Bier riecht.«
    »Egal was Sie trinken, Ihr Atem und Ihre Haut duften immer nach Milch und Honig.«
    »Es reicht. Könnten Sie nicht endlich dieses blöde Süßholzgeraspel einstellen? Das zieht bei mir nicht.«
    »Egal, was Sie sagen, es wird Ihnen nicht gelingen, mich zu beleidigen.« Sein Gesichtsausdruck straft seine Worte Lügen.
    »Wenn es bloß zu schütten aufhören würde. Ich möchte gern ein bißchen spazierengehen«, versucht sie das Thema zu wechseln. »Ich habe keine Lust, den ganzen Tag in diesem scheußlichen Bahnhofscafé herumzuhocken.«
    »Ich bin zwar gerne hier, aber jetzt wäre auch ich lieber woanders.«
    »Und wo?«
    »In einem netten, kleinen Hotel, zum Beispiel.«
    »Ist es dafür nicht noch ein

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