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Triestiner Morgen

Triestiner Morgen

Titel: Triestiner Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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bißchen früh?« Sie zwinkert ihm belustigt zu.
    »Zu früh wofür?«
    Sie lacht laut, lacht ihn aus.
    »Dafür ist es nie zu früh, höchstens zu spät.«
    »Ich verstehe noch immer nicht ganz, was Sie von mir wollen.«
    »Ich will Sie kennenlernen, Ihnen nahe sein, ich will es zumindest versuchen.«
    »Was versuchen?«
    »Eine Frau zu lieben.«
    »Und mich? Wollen Sie auch mich?«
    Er antwortet ihr nicht gleich, schaut sie eine Weile nur an und sagt dann mit trauriger Stimme: »Ich habe früher so ein kleines, gemütliches Hotel gehabt.«
    »Wer’s glaubt, wird selig.«
    »Lassen Sie sich durch mein heutiges Aussehen nicht täuschen. Das Schicksal hat es nicht gut mit mir gemeint. Als sie mit dem Ausbau des Industriehafens begonnen haben und die ganze Gegend rund um mein Hotel praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden ist, habe ich zusperren müssen. Das Haus hat man abgerissen, und ich bin mit einer lächerlichen Entschädigung abgespeist worden. Danach ist es nur noch bergab gegangen. Aber ich will Sie nicht mit meiner Lebensgeschichte langweilen.«
    »Sie langweilen mich überhaupt nicht«, betont sie fast aufgeregt.
    Zum ersten Mal glaubt er, so etwas wie Interesse in ihren kalten, graugrünen Augen aufflackern zu sehen.
    »Schöne Frauen mögen keine traurigen Geschichten.«
    Sie protestiert vehement.
    »Sie erinnern mich übrigens an diese Frau, die nie nein gesagt hat. Rein äußerlich nur. Sie war eine Hure.«
    Keineswegs schockiert, bittet sie ihn, ihr mehr von dieser Frau zu erzählen.
    »Sie ist mit den verschiedensten Männern in mein Hotel gekommen. Ein Jahr lang habe ich diesem Treiben zugeschaut, ohne ein Wort zu sagen. Aber schließlich habe ich ja kein Stundenhotel betrieben. Sie hat mir gut gefallen, obwohl ich an sich für Professionelle nichts übrig habe. Doch sie war sehr charmant und irgendwie naiv, wie ein kleines Mädchen. Manchmal hat sie die Zimmertür einen Spalt offengelassen – absichtlich natürlich, sie hat genau gewußt, daß man ihr Stöhnen und ihre Schreie bis ins Foyer gehört hat. Einmal bin ich raufgegangen, um die Tür zu schließen. Ich habe befürchtet, die anderen Gäste könnten sich durch diese eindeutigen Geräusche gestört fühlen. Sie muß bemerkt haben, daß ich in der Tür gestanden bin, ja, sie hat mir direkt in die Augen geschaut und es offensichtlich sehr genossen, einen Zuschauer zu haben.«
    »Und Sie haben vor lauter Schauen vergessen, daß Sie eigentlich die Tür schließen wollten? – Sie sind ja ein richtiger Voyeur.« Sie droht ihm scherzhaft mit dem Zeigefinger.
    Bei dem Wort ›Voyeur‹ ist er sichtlich zusammengezuckt, aber er fängt sich rasch wieder und gibt zu, daß er gern Frauen beobachtet.
    »Vor allem beim Sex? – Ich mache nur Spaß«, sagt sie besänftigend, als sie seinen entsetzten Blick bemerkt und legt ihm die Hand auf den Arm. »In diesem Punkt sind wir einander durchaus ähnlich. Allerdings bin ich eine professionelle Voyeurin. Wenn ich fremde Leute mit meiner Linse aufs Korn nehme, werde ich gut dafür bezahlt.«
    »Sie sind Fotografin?«
    Sie nickt.
    »Toller Beruf.«
    »Eigentlich nicht. Dieses ewige Zuschauen befriedigt einen nicht wirklich. Schauen, schauen und wieder nur schauen. Dieser Zwang, durch das Objektiv zu starren, immer wieder und ständig dasselbe zu tun, bereitet mir schon lange kein Vergnügen mehr. Man erlebt die Welt nur aus zweiter Hand, es ist und bleibt eine Scheinwelt.«
    »Vorhin, als Sie auf der Toilette waren, habe ich mir erlaubt, einen kurzen Blick auf Ihre tolle Ausrüstung zu werfen. Der Neid könnte einen armen Amateur wie mich fressen.«
    »Schnüffler«, murmelt sie verächtlich.
    Er scheint einer von diesen glücklichen Schwerhörigen zu sein, die nur hören, was sie hören möchten. Freundlich lächelnd fährt er fort: »Ich schwöre auch auf meine gute, alte Leica. Zwar fotografiere ich nur zum Vergnügen, für den Eigenbedarf sozusagen, doch auf eine gute Ausrüstung habe ich immer großen Wert gelegt. Nach dem Konkurs habe ich mich leider gezwungen gesehen, meine Spiegelreflexkamera und die Teles zu verkaufen, auch meine Super 8 hat der Kuckuck geholt, aber die Leica gebe ich nicht her, da kann kommen was will. In technischen Dingen war ich immer ein Perfektionist. Meine künstlerischen Fähigkeiten hinken da leider hinterher.«
    »Ich betrachte die Fotografie nicht als Kunst. Sicher spielt mir manchmal der Zufall einen Streich und macht das eine oder andere Bild zu einem kleinen

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