Triestiner Morgen
– ich würde meinem Balg niemals erlauben, in dieser Dreckslache zu schwimmen.
Auf den Kais ist das übliche Verkehrschaos im Gange. Energische, unbestechliche Parkwächter zwingen völlig genervte Familienväter auf den Uferboulevard, auf dem der Verkehr längst zusammengebrochen ist, zurückzukehren. Viele Autos haben ausländischen Kennzeichen. Wahrscheinlich ist in Deutschland gerade wieder einmal Schichtwechsel. Doch kaum einer der Touristen, mit oder ohne Wohnmobil, hält in Triest. Sie sind alle nur auf Durchreise, wollen so schnell wie möglich von den Badestränden in Istrien nach Hause und bleiben dann stundenlang in der glühenden Hitze der Stadt stecken.
Die Fähre nach Piräus legt gerade ab. Andere große Schiffe sind an diesem Montag nicht in Sicht.
Und wie immer um diese Zeit sind fast nur Männer auf der Straße. Sie lungern den ganzen Tag am Meer herum, während ihre braven, kleinen Frauen, wie immer, zu Hause an den Kochtöpfen stehen oder unermüdlich am Waschen und Putzen sind.
Betont langsam gehe ich an den Straßencafés vorbei, genieße die verlangenden Blicke der Jungen, die stummen Bitten der Alten und die anzüglichen Komplimente der Fremden. Ihre ausgehungerten Körper versprechen die Wonnen einer kurzen Nacht, und ihre gierigen Augen nähren mein Verlangen. Fast täglich gehe ich diese Strecke zu Fuß. Ich weiß, daß sie auf mein Erscheinen warten, und mache mich jeden Tag auch für sie schön. Die Einheimischen grüßen mich mit respektvollem Nicken, richten aber nie das Wort an mich, sie haben zuviel Angst vor Enricos Fäusten. Spaziere ich an einer Gruppe junger Männer vorbei, so verstummen sie, schenken mir unsichere Blicke und sprechen erst weiter, wenn ich mich außer Hörweite befinde.
Ich mag die jungen Männer in meiner Stadt, mag ihre kräftigen Beine, die stark behaart sind und voller Krampfadern, wenn sie älter werden. Mir gefallen auch ihre breiten Oberkörper und ihre muskulösen Arme. Die engen, ärmellosen Ruderleibchen zeigen her, was sie zu bieten haben: Bläulich schimmernde, stark hervortretende Sehnen und Adern, tätowierte Unterarme und schmutzige, verbrauchte Hände. Fast alle haben schwarzes, lockiges Haar und eine sonnengebräunte Haut, die aussieht wie gegerbtes Leder. Ihre Gesichter sind hart und verschlossen. Manchmal denke ich, sie sind schon mit alten Gesichtern auf die Welt gekommen. Nur ihre Augen leben, es sind glühende, leidenschaftliche Augen.
Bei den öffentlichen Bädern steige ich in den Bus. Staub, Abgase und höllischer Baulärm entlang der Küstenstraße machen die letzten Kilometer bis zum ›Hotel Orient‹ nicht gerade zu einem Paradies für Spaziergänger.
Auch die Busfahrt ist an einem so heißen Sommertag kein reines Vergnügen. Dicke Mamas, mit unzähligen Einkaufstaschen und Plastiksäcken bepackt, bohren mir ihre Ellbogen in den Magen und in andere empfindliche Körperteile. Stinkende, verschwitzte Männerleiber pressen sich an mich, drücken mich gegen die schmutzigen Fensterscheiben des Busses. Seit ich schwanger bin, reagiere ich extrem empfindlich auf Körperausdünstungen. Ich spüre ein Würgen im Hals und fürchte, mich im nächsten Augenblick zu übergeben.
Plötzlich kneift mich jemand in den Hintern. Ich drehe mich um. Hinter mir steht ein kleiner Knirps und grinst mich unverschämt an. Ich revanchiere mich mit einer saftigen Ohrfeige – eine reine Reflexreaktion, die ich besser unterlassen hätte. Der kleine Macho beginnt wie am Spieß zu brüllen, und sofort fällt seine liebe Mama über mich her, beschimpft mich als dreckiges Flittchen und droht mir ihrerseits eine Ohrfeige an. Ich finde es nicht der Mühe wert, die Situation aufzuklären, strafe die beiden mit einem verächtlichen Blick und wende mich ab. Die anderen Fahrgäste fühlen sich jedoch verpflichtet, nun ebenfalls ihre Kommentare abzugeben. Einige ergreifen sogar für mich Partei, und bald ist eine heftige Diskussion über Kindererziehung im Gang.
Noch vor der Endstation ergreife ich die Flucht. Das aufgeregte Gekreische der Leute in den Ohren, schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel und bitte die Mutter Gottes, mir ein Mädchen zu schenken. Ich mag keine kleinen Bengel. Wenn ich wüßte, daß aus dem Balg in meinem Bauch auch einmal so eine freche, kleine Rotznase wird, würde ich gleich morgen nach Amsterdam fahren.
Kurz vor Mittag.
Der nächste Bus nach San Giovanni fährt in zwanzig Minuten. Enrico bleibt genügend Zeit für einen Espresso und
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