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Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn!

Titel: Triffst du Buddha, töte ihn! - Altmann, A: Triffst du Buddha, töte ihn! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Mein Verdienst, dass ich nicht zerfetzt wurde? Letztes Exempel: Als am 26. Dezember 2004 der Tsunami über die (südostasiatische) Welt kam, befand ich mich in Thailand. Nur eben an der verschonten Küste. Bin ich also schon wieder der begnadet Besonnene, der umsichtig plante, um nicht als Wasserleiche zu enden?
    Jeder weiß die Antwort und jeder könnte von Umständen erzählen, deren Überleben er nichts anderem verdankt als dem Zufall, dem eiskalt ungerechten Glück. Sicherlich waren unter allen verunglückten Toten, die vor mir starben, viele, die klüger und achtsamer ihr Leben verwalteten als ich. Ihnen aber kein Glück zur Seite sprang, kein bisweilen grotesker Umstand, um dem Unglück auszuweichen. Haben die Überlebenden das alles »verdient«? Und die Toten nicht?
    Ja, sagt der Buddhismus, denn nun packt er die Lehre der Wiedergeburt aus. Um den Zufall, den sinnvollsten und sinnlosesten, zu rechtfertigen. Sie lautet: Was immer dem Einzelnen an Entzückung oder schauerlichem Schicksal widerfährt, ist das Resultat seines »Karmas«, eben all seiner in allen seinen Vorleben begangenen Taten und Gedanken.
    Ehrlich, ganz ehrlich, diese Erklärung ist mir zu kindisch. Ähnlich albern wie die Sprüche der Monotheisten, die immer dann, wenn sie vor dem Scherbenhaufen ihrer Ideologie der »barmherzigen Gottesliebe« stehen, von den »unerforschlichen Wegen des Herrn« sprechen. (Umso alberner, da sie ja angeblich oft wissen, was der Herr denkt und meint.)
    Ich mag die Chaos-Theorie, die all denjenigen gefallen könnte, die ohne fertige Antworten durchs Leben kommen. Sie geht, wie der Buddhismus auch, davon aus, dass jede Wirkung ihre Ursache hat. Der kleine Unterschied jedoch: Die Chaos-Theorie weiß, dass die Kette von Ursache und Wirkung so aberwitzig lang, so aberwitzig verschlungen ist und von so unzähligen, ja, unzähligen Nebenursachen und Nebenwirkungen beeinflusst wird, dass es absolut unmöglich ist zu sagen, das oder das oder das führe zu – genau – diesem oder jenem Ergebnis. Reden wir einmal nicht vom berühmten Flügelschlag eines Schmetterlings in Shanghai, der möglicherweise einen Wirbelsturm in New York auslösen könnte. Reden wir über eine ganz einfache Illustration: Ein Kind wirft einen Stein in einen Teich. Sogleich entstehen Wellen an der Oberfläche, verlaufen sich zu den Rändern des Wassers, fließen zurück zur Stelle des Aufschlags. Die Aktion des Kindes hat eine Reaktion ausgelöst. Aber der Teich ist voller Unkraut, Fische, Larven, Krebse, Bierdosen, Autoreifen, Urin, anderer Steine, Abfall, kurz, voller Myriaden anderer Lebewesen und Dinge, die alle auf ihre Weise die Bildung der Wellen, ihre Stärke, ihre Form, ihre Dauer beeinflussen. Wer würde sich anmaßen, hier den Überblick zu bewahren? Festzulegen, was und wer für genau welche Reaktion verantwortlich war?
    Vielleicht demonstriert eine poetische Parabel, wieder aus Indien, noch klarer die Unvorhersehbarkeit des Lebens: Zwei Brüder. Einer hat es geschafft, hat einen kreativen Beruf, hat Freunde, führt ein erfülltes Leben. Der andere nicht, er versank in der Gosse, säuft sich von einem Unglück ins nächste. Frage an den haltlosen Zecher: »Warum bist du abgestürzt?« Und die weinerliche Antwort: »Ach, weil mein Vater ein Alkoholiker war, ach, weil meine Mutter auf den Strich ging.« Dann wird der Bruder befragt: »Und du, warum geht es dir gut?«. Und seine Erklärung klingt überraschend und wunderbar weise: »Ach, weil mein Vater ein Alkoholiker war, ach, weil meine Mutter auf den Strich ging.« Was für eine souveräne Absage an alle, die behaupten, dass auf ein A das B folgen muss, die immer vorher schon wissen, was hinterher passieren wird.
    Buddha war ein Revolutionär. Er hat sich vor 2500 Jahren mit der herrschenden Klasse der Brahmanen angelegt, wollte nichts wissen von »Gottesmännern«, nichts von Kasten mit höheren und niederen Menschenwesen. Aber bei der Lehre der Wiedergeburt hat er nur wiederholt, was bereits an himmlischem Märchenfunk vorhanden war. Eben die Erfindung – die natürlich der damaligen Priesterklasse politisch und finanziell zupass kam: Im Universum geht eine moralisch tadellose Gerechtigkeit um, die jedem beschert, was er sich im Laufe seiner vielen, vielen Leben an Gutem und Bösem erwirtschaftet hat. Deshalb waten die einen im Unrat und deshalb reiten die anderen auf einer endlosen Glückswelle.
    Lässt man sich auf solche Gedankenspiele ein, landet man irgendwann unweigerlich

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